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Satire mit dem Stoff, der in triumphaler Ahnungs-
losigkeit die Form vollendet und ausspielt, deren
Nachbildung nicht mehr möglich ist, deren Abbil-
dung nicht mehr geglaubt wird, deren Undenkbar-
keit zum Fehler des Bildners wird. Solcher Fluch
der Empfänglichkeit versagt ein Erlahmen, gewährt
der Vollkraft, täglich hundert Reizungen | erliegen,
und verlängert doch nicht den Tag, der den Syllabus
sprachlicher, moralischer und sozialer Missetaten
verlangte. Imstande sein, am Auswurf der Welt ihr
Übel zu erfassen, von der unscheinbarsten Ober-
fläche jeweils das letzte Ende tätiger und leidender
Menschheit — solches Vermögen erlebt sich als
Opfer, solche Fülle als Mangel, solches Gemüt
neidet dem Schlichten die Erlösung, deren er nicht
bedurft hat. Abhängig von allem Nichts, gebannt
von jedem Tropfen der Sündflut — wie sollte es
sich den Wunsch verdenken, einmal wie die zu sein,
die das Sichtbare nicht sehen, das Unmögliche für
unwirklich nehmen, oder doch wie solche, denen
gegeben ist, nicht zu sagen, was sie leiden ! Wäre
ihm | die Notwehr verwehrt▒ der Hypertrophie dessen,
was es schon geschaut und gezeichnet hat▒ des
wortumlogenen Greuels, der Entehrung der Wahr-
heit im Heiligenschein der entehrten Sprache,
der Prostituierung von Leben und Tod an den
Zweck, der täglichen Todsünde wider Geist und
Natur| Schranken der Aufnahmsmöglichkeit, Grenzen
des Gestaltungswillens zu errichten ? Ich habe
durch mein ganzes Nichtwirken hindurch mich der
Presse, der ich doch allen Beweis gegen ein von ihr
losigkeit die Form vollendet und ausspielt, deren
Nachbildung nicht mehr möglich ist, deren Abbil-
dung nicht mehr geglaubt wird, deren Undenkbar-
keit zum Fehler des Bildners wird. Solcher Fluch
der Empfänglichkeit versagt ein Erlahmen, gewährt
der Vollkraft, täglich hundert Reizungen | erliegen,
und verlängert doch nicht den Tag, der den Syllabus
sprachlicher, moralischer und sozialer Missetaten
verlangte. Imstande sein, am Auswurf der Welt ihr
Übel zu erfassen, von der unscheinbarsten Ober-
fläche jeweils das letzte Ende tätiger und leidender
Menschheit — solches Vermögen erlebt sich als
Opfer, solche Fülle als Mangel, solches Gemüt
neidet dem Schlichten die Erlösung, deren er nicht
bedurft hat. Abhängig von allem Nichts, gebannt
von jedem Tropfen der Sündflut — wie sollte es
sich den Wunsch verdenken, einmal wie die zu sein,
die das Sichtbare nicht sehen, das Unmögliche für
unwirklich nehmen, oder doch wie solche, denen
gegeben ist, nicht zu sagen, was sie leiden ! Wäre
ihm | die Notwehr verwehrt
was es schon geschaut und gezeichnet hat
wortumlogenen Greuels, der Entehrung der Wahr-
heit im Heiligenschein der entehrten Sprache,
der Prostituierung von Leben und Tod an den
Zweck, der täglichen Todsünde wider Geist und
Natur| Schranken der Aufnahmsmöglichkeit, Grenzen
des Gestaltungswillens zu errichten ? Ich habe
durch mein ganzes Nichtwirken hindurch mich der
Presse, der ich doch allen Beweis gegen ein von ihr
| zu
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Jerusalemer Konvolut, fol. [11] recto
Pagination oben rechts: "11". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
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- Markierung für den Druck der Fackel Nr. 890: vertikale Linie Rechts