das ist heute der Übermensch für den Menschen, und
hinter der »prachtvollen, nach Beute und Sieg lüstern
schweifenden blonden Bestie«, mit der eine Literatur-
generation geweidet hat, würde er nichts wiederfinden
als eben die »Herdentiermoral«, die er verpönte
und die sich nun mit höchster Subalternität am
Machtgedanken gütlich tut. Ist es die Erfüllung, daß
dieser des Schutzes der Lüge bedarf, um die Beute
zu decken, und daß der Kopfjäger als Skalp den
Posten davonträgt ? Ließ jener die Bestie solcher-
maßen schweifen : Der jüdische Apotheker Georg Grünwald hatte seinen Laden in der
Prenzlauer-Allee im Norden von Berlin. Eines Tages, bald nachdem
der Brand im Reichstag ausgebrochen war, etablierte sich gegenüber
dem Laden ein anderer Apotheker. Mitte April stürmte ein Trupp Braunhemden in das Geschäft.
»Jude, laß die Rollbalken runter und sperre deine Butike, oder es
könnte dir schlecht ergehn !« Grünwald erwiderte, er sei seit zwanzig Jahren als Apotheker auf
dem Platze, nicht er sei daher der Konkurrent, sondern jener. In der Nacht nach dieser Auseinandersetzung verschwand Georg
Grünwald spurlos aus Berlin. Seine Frau alarmierte das nächste Polizei-
revier. Zwei Tage vergingen. Am dritten Tag rief das Revier die Wohnung
der Apothekersfrau an. Sie können sich den Leichnam ihres Ma
in der städtischen Leichenkammer zur Beerdig ng holen. Die Frau lief auf das Polizeirevier. »Was ist meinem Manne
zugestoßen ?« Achselzucken . . . Frau Grünwald dachte an den neuen
Apotheker . . . Zwei Privatdetektive legten sich auf die Fährte der Mörder. In
derselben Nacht wurde Frau Grünwald in ihrer Wohnung vergiftet aufge-
funden. Der Polizeibericht sagte : Selbstmord. Für das Polizeirevier war
der Akt geschlossen. In der Prenzlauer-Allee gibt es jetzt nur noch einen einzigen,
deutschen Apotheker.Und tritt etwa hier »das frohlockende Ungeheuer in
die Unschuld des Raubtiergewissens zurück« : Aus dem Reisebericht eines Schweizers : Ich kam nach Hessen. In
einem alten Gasthaus erzählten mir ein paar behäbige Kirchengänger
Iachend, wie sie am Tage des Boykotts ihren Spaß gehabt hätten mit
einem Krämer, den zwei SA.-Männer mit vorgehaltenen Karabinern
auf den Dorfplatz trieben. Der Jude hätte um sein Leben gefleht und
gewinselt, weil er dachte, seine letzte Stunde wäre gekommen. Da
Legende
- Drucktext
- Typoskript
- Handschriftlicher Text, Karl Kraus
- Handschriftlicher Text, Druckerei oder Karl Kraus
- Graphenfolge in schwarzer Tinte
- Graphenfolge in Blei
- Graphenfolge in rotem Farbstift
- Graphenfolge in blauer Tinte
- Graphenfolge in blauem Farbstift
Getilgte GraphenfolgeZurückgenommene Tilgung- Unterstreichung
- Zurückgenommene Unterstreichung
- Graphenfolge mit Umrandung
- Zurückgenommene Umrandung
- Handschriftlicher Text, nachgezogen (keine Varianz erkennbar)
- Überschreibung mit Variante Überschreibung mit Varianz (Mouse-Over legt untere Textschicht frei)
- | – vereinheitlichtes Korrektur- und Einfügungszeichen
- – Tilgung (Deleatur)
- – Vertauschung (Transposition)
- Unsichere[?] Entzifferung[?]
- ¿¿¿¿¿¿¿ – nicht entzifferte Graphenfolge
- / – Start bzw. Ende einer Markierung für die Fackel Nr. 890-905
Jerusalemer Konvolut,
fol. [56] recto.
Standort, Signatur
National Library of Israel, Jerusalem, Abraham Schwadron Collection, Schwad 01 19 290.1.
Paginierung oben rechts: "56" (Schwarze Tinte (Karl Kraus))
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Textträger, Grundschicht,
Digitalisat
Gehört zu:
Druckfahnen – Fahnenabzüge (vor dem Umbruch), umfassen 268 von 293 Blatt des Konvoluts. Höhe 210 mm, Breite 142 mm. Druckqualität variabel: stellenweise Blitzer, vielfach Doublieren (‚Schmitze‘).
Leichte bis (vor allem bei den ersten Seiten) mittlere mechanische Schäden – Knicke, Risse, selten Fehlstellen – vor allem im Bereich der Blattränder. Vielfach verschmutzte Blattränder, im Blattinneren leichte bis selten mittlere Verschmutzung durch vmtl. Druckerschwärze, Griffecken und anderes. Stellenweise leicht stockfleckig. Brandschäden kleinsten Ausmaßes auf wenigen fols.
Digitalisiert von der National Library of Israel mit 300 dpi, 1.737 bis 2.016 Pixel Breite und 2.566 bis 2.816 Pixel Höhe.
Bearbeitungsschichten
- Schwarze Tinte (Karl Kraus)
- Bleistift