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Wenn ich mich nun frage, wie ich das so begreifliche,
von mir noch nachgefühlte Widerstreben überwinden konnte,
in das weiträumige Abenteuer einer Walpurgisnacht einzu-
treten, aus der, nach Bewältigung der andern Parole,
Deutschland erwachen wird; zu deren Rätseln sein größtes
Gedicht vielfachen Aufschluß gewährte; deren Fülle der
Gesichte mitr seine besten Seher herbeirief und Diebold
und Benn dazu; deren Grausen noch Shakespeares blutigste
Vision einschließt: Die Gegenwart verführt ins Übertriebne, Ich halte mich vor allem ans Geschriebne
— wenn ich mich frage, wie ich eine Materie durchstehen
konnte, die in Anlaß und Hindernis das Weltkriegsgetümmel
aufwiegt; von Lesern ermuntert und aufgehalten, die mit
guter Meinung und schlechter Sicht im Gebirgssturz
„Stellungsnahme“ verlangen ( und nicht einmal bedenkend,
daß die Antwort auf die Frage, warum sie nicht erscheint,
sie verzögert) — wenn ich mich solches frage, so ist es
zugleich die Frage nach der moralischen Berechtigung, über
ein Elementarerreignis abzusprechen, mit dessen Walten sich
der Presse meine Tendenz gegen sie verbindet. dDie moralische
Berechtigung würde sich nicht bloß aus dem Umstand ergeben,
daß mein Wunsch, diese Verbindung abzulehnen, brennender
ist als der, den mir der Sieg des Nationalsozialismus er-
füllt hat. Die Vorstellung, daß ich seinen Sieg als den
eigenen empfinden könnte, ist so erbärmlich wie das geistige
Wesen, dem sie entstammt und dessen Perhorreszierung mich
nicht hindert, mit ihm den vermeintlichen Helfer zu verab-
scheuen. Nur daß ich es mit größerer Verantwortung besorge
und vermöge einer Erkenntnis, die mit besserm Recht den
Zusammenhang zwischen ihm und jenem Wesen bejaht. Denn der
Nationalsozialismus hat die Presse nicht vernichtet, sondern
die Presse hat den Nationalsozialismus erschaffen. Scheinbar
nur als Reaktion, in Wahrheit auch als Fortsetzung. Jenseits
von mir noch nachgefühlte Widerstreben überwinden konnte,
in das weiträumige Abenteuer einer Walpurgisnacht einzu-
treten, aus der, nach Bewältigung der andern Parole,
Deutschland erwachen wird; zu deren Rätseln sein größtes
Gedicht vielfachen Aufschluß gewährte; deren Fülle der
Gesichte mitr seine besten Seher herbeirief und Diebold
und Benn dazu; deren Grausen noch Shakespeares blutigste
Vision einschließt: Die Gegenwart verführt ins Übertriebne, Ich halte mich vor allem ans Geschriebne
— wenn ich mich frage, wie ich eine Materie durchstehen
konnte, die in Anlaß und Hindernis das Weltkriegsgetümmel
aufwiegt; von Lesern ermuntert und aufgehalten, die mit
guter Meinung und schlechter Sicht im Gebirgssturz
„Stellung
daß die Antwort auf die Frage, warum sie nicht erscheint,
sie verzögert) — wenn ich mich solches frage, so ist es
zugleich die Frage nach der moralischen Berechtigung, über
ein Elementarer
der Presse meine Tendenz gegen sie verbindet. dDie moralische
Berechtigung würde sich nicht bloß aus dem Umstand ergeben,
daß mein Wunsch, diese Verbindung abzulehnen, brennender
ist als der, den mir der Sieg des Nationalsozialismus er-
füllt hat. Die Vorstellung, daß ich seinen Sieg als den
eigenen empfinden könnte, ist so erbärmlich wie das geistige
Wesen, dem sie entstammt und dessen Perhorreszierung mich
nicht hindert, mit ihm den vermeintlichen Helfer zu verab-
scheuen. Nur daß ich es mit größerer Verantwortung besorge
und vermöge einer Erkenntnis, die mit besserm Recht den
Zusammenhang zwischen ihm und jenem Wesen bejaht. Denn der
Nationalsozialismus hat die Presse nicht vernichtet, sondern
die Presse hat den Nationalsozialismus erschaffen. Scheinbar
nur als Reaktion, in Wahrheit auch als Fortsetzung. Jenseits
Legende
- Drucktext
- Typoskript
- Handschriftlicher Text, Karl Kraus
- Handschriftlicher Text, Druckerei oder Karl Kraus
- Graphenfolge in schwarzer Tinte
- Graphenfolge in Blei
- Graphenfolge in rotem Farbstift
- Graphenfolge in blauer Tinte
- Graphenfolge in blauem Farbstift
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- Zurückgenommene Unterstreichung
- Graphenfolge mit Umrandung
- Zurückgenommene Umrandung
- Handschriftlicher Text, nachgezogen (keine Varianz erkennbar)
- Überschreibung mit Variante Überschreibung mit Varianz (Mouse-Over legt untere Textschicht frei)
- | – vereinheitlichtes Korrektur- und Einfügungszeichen
- – Tilgung (Deleatur)
- – Vertauschung (Transposition)
- Unsichere[?] Entzifferung[?]
- ¿¿¿¿¿¿¿ – nicht entzifferte Graphenfolge
- / – Start bzw. Ende einer Markierung für die Fackel Nr. 890-905
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Jerusalemer Konvolut,
fol. [283] recto.
Standort, Signatur
National Library of Israel, Jerusalem, Abraham Schwadron Collection, Schwad 01 19 290.1.
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Textträger, Grundschicht,
Digitalisat
Gehört zu:
Typoskriptblätter – Schluss des Textes, umfasst 11 Blatt des Konvoluts. Höhe 260 mm, Breite 194 mm. Letzter, nicht bzw. erst in der Fassung für die Fackel Nr. 890–905 gesetzter Absatz des Textes.
Leichte mechanische Schäden – Knicke, selten Risse der Blattränder – und ebenso leichte Verschmutzungen (v. a. Griffecken). Horizontale Falz auf halber Höhe von ursprgl. Faltung.
Digitalisiert von der National Library of Israel mit 300 dpi, 2.456 bis 2.520 Pixel Breite und 3.192 bis 3.312 Pixel Höhe.
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