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um in medias res einer Nichtvorhandenheit zu ge-
langen, die in den Annalen der deutschen Kultur-
geschichte auf leeren und mit Blut verklebten
Blättern stehen wird. Das erreichte Positivum gibt
sichzunächst darin zu erkennen, daß der grund-
sätzliche Entschluß zur Zerstörung von Lebenswerten
dem beseitigten Unwert zu einem unrechtmäßigen
Martyrium verholfen hat oder zu einer sonst un-
erlangbaren Geltung vor dem Ausland, welches
naturgemäß dazu neigt, jedes Opfer deutscher
Proskription mit einem Talent oder doch einem
Charakter zu verwechseln. Was diesen betrifft, konnte
der Irrtumschon durch das Verhalten der Betroffenen
richtiggestellt werden ; das Staunen war nicht gering,
ein wie kleines Geschlecht der große Moment
der Verbrennung gefunden hat und wie unwert sich
viele, wenn sie sie überhaupt verdient hatten, einer
Gunst zeigten, die Schriftstellern der Neuzeit doch
so selten widerfahren ist. Sie waren der Ehre nach-
träglich so unwürdig wie zuvor. Ich möchte ja nicht
um einen Nobelpreis mit dem Tucholsky auf einem
Scheiterhaufen brennen ; aber wenn es jemals ein
Schulbeispiel dafür gegeben hat, däß das Glück die
Gaben ohne Wahl und ohne Billigkeit verteilt,
so ist es dieseSchwarze Liste, bei deren Anblick
einen der gelbe Neid packt. Wo bleibt da die
Gerechtigkeit, wenn man sein Leben lang zersetzend
gewirkt hat, den Wehrwillen geschwächt, den An-
schluß widerraten und den ans Vaterland nur zum
Schutz gegen das andere empfohlen hat, in der
oft, selten mit Quelle, zitierten Erkenntnis, daß
dort elektrisch beleuchtete Barbaren hausen und
daß es das Volk der Richter und Henker sei.
Und wenn man nun zusehen muß, wie so
mancher für einen brennen darf, den man verleitet
hat, eben davon zu singen und zu sagen ! Aber wer
weiß, vielleicht hat sogar der Nationalsozialismus
noch ein Gefühl für die Rechtmäßigkeit von
Meinungen, oder vielleicht ist sein Zugriff durch
Kenntnis und Mißverständnis meiner Verdienste
gegen die Journaille gehemmt, durch die Dankes-
schuld für eine Befruchtung, die sie selbst mir vorwirft.
Denn man könnte doch, was eben sie betrifft, nicht
behaupten, daß ich da nicht auch zersetzend gewirkt,
langen, die in den Annalen der deutschen Kultur-
geschichte auf leeren und mit Blut verklebten
Blättern stehen wird. Das erreichte Positivum gibt
sich
sätzliche Entschluß zur Zerstörung von Lebenswerten
dem beseitigten Unwert zu einem unrechtmäßigen
Martyrium verholfen hat oder zu einer sonst un-
erlangbaren Geltung vor dem Ausland, welches
naturgemäß dazu neigt, jedes Opfer deutscher
Proskription mit einem Talent oder doch einem
Charakter zu verwechseln. Was diesen betrifft, konnte
der Irrtum
richtiggestellt werden ; das Staunen war nicht gering,
ein wie kleines Geschlecht der große Moment
der Verbrennung gefunden hat und wie unwert sich
viele, wenn sie sie überhaupt verdient hatten, einer
Gunst zeigten, die Schriftstellern der Neuzeit doch
so selten wider
um einen Nobelpreis mit dem Tucholsky auf einem
Scheiterhaufen brennen ; aber wenn es jemals ein
Schulbeispiel dafür gegeben hat, d
Gaben ohne Wahl und ohne Billigkeit verteilt,
so ist es diese
einen der gelbe Neid packt. Wo bleibt da die
Gerechtigkeit, wenn man sein Leben lang zersetzend
gewirkt hat, den Wehrwillen geschwächt, den An-
schluß widerraten und den ans Vaterland nur zum
Schutz gegen das andere empfohlen hat, in der
oft
dort elektrisch beleuchtete Barbaren hausen und
daß es das Volk der Richter und Henker sei.
Und wenn man nun zusehen muß, wie so
mancher für einen brennen darf, den man verleitet
hat, eben davon zu singen und zu sagen ! Aber wer
weiß, vielleicht hat sogar der Nationalsozialismus
noch ein Gefühl für die Rechtmäßigkeit von
Meinungen, oder vielleicht ist sein Zugriff durch
Kenntnis und Mißverständnis meiner Verdienste
schuld für eine Befruchtung, die sie selbst mir vorwirft.
Denn man könnte doch, was eben sie betrifft, nicht
behaupten, daß ich da nicht auch zersetzend gewirkt,
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Jerusalemer Konvolut, fol. [21] recto
Pagination oben rechts: "21". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Weitere Textschichten
- Tinte, schwarz (Karl Kraus)
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