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| rast
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daß viehische Formen der Entschädigung, in denen
sichnoch nie | die Lebensnot einer Gemeinschaft,
selbst nichtin derPanik des Hungers ausge-
tobt hat, eben vermöge der Besonderheit nur von
einem übersinnlichen Punkt erfaßbar wären — das
müßte schon eine Philosophie sein, reif zu der höch-
sten Steigerungsstufe von »deutsch«, die sich dieses
Volkstum für alles, was ihm eigen, vor allen andern
Volkstümernvorbehalten hat. Es kommt eben damit,
wie auch sonst, mit den eigenen Repräsentanten
seiner bessern Beschaffenheit in Konflikt. Goethe war
dagegen, er wurde dem Unvergleichlichen mit der
Bemerkung gerecht : Eine Vergleichung des deutschen Volkes mit andern Völkern erregt
in uns peinliche Gefühle, über welche ich auf jegliche Weise hinweg-
zukommen versuche. Ist denn wirklich das Volk erwacht ? Und Wagner will von dieser deutschesten Tugend,
die sich selbst anspricht und zwar unaufhörlich,
schon gar nichts wissen ; von einem Hang, der,
seitdem er besonders den Äther zu Hilfe nimmt,
die anderen Nationen erst auf die Idee gebracht
hat, sich als Franzosen, Engländer, Italiener, Tsche-
chen und nun insbesondere auch als Österreicher zu
fühlen. Freilich würde heute Bayreuth in sein
Programmheft nicht die Meinung aufnehmen, daß,
je mächtiger ein Volk sei, desto weniger es darauf
zu geben scheine :
seinen Namen mit dieser Ehrfurcht vor sich selbst zu nennen. Es
kommt im öffentlichen Leben Englands und Frankreichs bei weitem
seltener vor, daß man von »englischen« und »französischen« Tugenden
spricht ; wogegen diedeutsche sich fortwährend auf »deutsche Tiefe«,
»deutschen Ernst«, »deutsche Treue« und dergleichen mehr zu berufen
pflegen. Leider ist es in sehr vielen Fällen offenbar
geworden, daß diese Berufung nicht vollständig
begründet war.Was würde ein hoher Gast vollends dazu sagen,
wenn er dort die Meinung anträfe :
sich
selbst nicht
einem übersinnlichen Punkt erfaßbar wären — das
müßte schon eine Philosophie sein, reif zu der höch-
sten Steigerungsstufe von »deutsch«, die sich dieses
Volkstum für alles, was ihm eigen, vor allen andern
Volkstümern
wie auch sonst, mit den eigenen Repräsentanten
seiner bessern Beschaffenheit in Konflikt. Goethe war
dagegen, er wurde dem Unvergleichlichen mit der
Bemerkung gerecht : Eine Vergleichung des deutschen Volkes mit andern Völkern erregt
in uns peinliche Gefühle, über welche ich auf jegliche Weise hinweg-
zukommen versuche. Ist denn wirklich das Volk erwacht ? Und Wagner will von dieser deutschesten Tugend,
die sich selbst anspricht und zwar unaufhörlich,
schon gar nichts wissen ; von einem Hang, der,
seitdem er besonders den Äther zu Hilfe nimmt,
die anderen Nationen erst auf die Idee gebracht
hat, sich als Franzosen, Engländer, Italiener, Tsche-
chen und nun insbesondere auch als Österreicher zu
fühlen. Freilich würde heute Bayreuth in sein
Programmheft nicht die Meinung aufnehmen, daß,
je mächtiger ein Volk sei, desto weniger es darauf
zu geben scheine
kommt im öffentlichen Leben Englands und Frankreichs bei weitem
seltener vor, daß man von »englischen« und »französischen« Tugenden
spricht ; wogegen die
»deutschen Ernst«, »deutsche Treue« und dergleichen mehr zu berufen
pflegen. Leider ist es in sehr vielen Fällen offenbar
geworden, daß diese Berufung nicht vollständig
begründet war.Was würde ein hoher Gast vollends dazu sagen,
wenn er dort die Meinung anträfe :
| zuvor
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Jerusalemer Konvolut, fol. [52] recto
Pagination oben rechts: "52". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Weitere Textschichten
- Tinte, schwarz (Karl Kraus)
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