| wie
| etwas
|₰
| wird
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führe und im Schaufenster : lauter Tat und Wille,
nichts als Blut und Erde, jedes Schlagwort eine
Handgranate, Volltreffer jeder Blick aus diesen
Einheitsgesichtern von Autoren, die | wie ihre Leser
ausschauen ; der trostlose Optimismus einer Ge-
neration, die | von »dem Tod ins Auge gesehn haben«
gehört hat und sich dadurch zu nichts verpflichtet
fühlt als zur Wiederholung und zur Vergewaltigung
der Mitmenschheit. Betrieb einer Büromantik von
Befreiungskrieg zum Zweck der Sklaverei. Gewimmel
von Verwendbaren : Belletristen, Gesundbeter und
nun auch jene Handlanger ins Transzendente, die
sich in Fakultäten und Revuen anstellig zeigen, die
deutsche Philosophie als Vorschule für den Hitler--
Gedanken einzurichten. Da ist etwa der Denker
Heidegger, der seinen blauen Dunst dem braunen
gleichgeschaltet hat und klar zu erkennen beginnt,
die geistige Welt eines Volkes sei die Macht der tiefsten Bewahrung seiner erd- und bluthaften
Kräfte als Macht der innersten Erregung und weitesten
Erschütterung seines Daseins. Ich habe immer schon gewußt, daß ein böhmischer
Schuster dem Sinn des Lebens näherkommt als ein neu-
deutscher Denker. Warum das Volk durch seine erd- und
bluthaften Kräfte erregt und erschüttert sein mußund
und wie es dadurch auf einen grünen Zweig kommen
könnte, das zu sehen ist natürlich mehr Sache des
Glaubens als der Beweisführung ; immerhin fühlt
man sich an den Einwand bei Gogol erinnert, den
er gegen einen aufgeregten Schulmeister vorbringen
läßt : Gewiß, Alexander der Große war ein großer
Mann, aber warum gleich Sessel zertrümmern ?
Heidegger, der zeitgemäß »Wehrdienst des Geistes«
traktiert, unterläßt ja keineswegs, zu sagen, wie man
handeln soll : Man muß handeln im Sinne des fragenden, unge-
deckten Standhaltens inmitten der Ungewißheit des
Seienden im Ganzen. Zum Glück gibt die Zeitung, die es zitiert,sofort
einen Anhaltspunkt : Prüfe und behalte das Beste : Berna-Käse. Gleichwohl tappt man. Das Bekenntnis zu Blut-
und Erdverbundenheit, mit dem sich jetzt diese
abgründigen Worthelfer der Gewalt beeilen,
könnte vielleicht an jene Gefahr der Verbindung
denken lassen, die zwar nicht in der Philo-
sophie, aber in der Medizin als Tetanus bekannt
nichts als Blut und Erde, jedes Schlagwort eine
Handgranate, Volltreffer jeder Blick aus diesen
Einheitsgesichtern von Autoren, die | wie ihre Leser
ausschauen ; der trostlose Optimismus einer Ge-
neration, die | von »
gehört hat und sich dadurch zu nichts verpflichtet
fühlt als zur Wiederholung und zur Vergewaltigung
der Mitmenschheit. Betrieb einer Büromantik von
Befreiungskrie
von Verwendbaren : Belletristen, Gesundbeter und
nun auch jene Handlanger ins Transzendente, die
sich in Fakultäten und Revuen anstellig zeigen, die
deutsche Philosophie als Vorschule für den Hitler--
Gedanken einzurichten. Da ist etwa der Denker
Heidegger, der seinen blauen Dunst dem braunen
gleichgeschaltet hat und klar zu erkennen beginnt,
die geistige Welt eines Volkes sei die Macht der tiefsten Bewahrung seiner erd- und bluthaften
Kräfte als Macht der innersten Erregung und weitesten
Erschütterung seines Daseins. Ich habe immer schon gewußt, daß ein böhmischer
Schuster dem Sinn des Lebens näherkommt als ein neu-
deutscher Denker. Warum das Volk durch seine erd- und
bluthaften Kräfte erregt und erschüttert sein muß
und wie es dadurch auf einen grünen Zweig kommen
könnte, das zu sehen ist natürlich mehr Sache des
Glaubens als der Beweisführung ; immerhin fühlt
man sich an den Einwand bei Gogol erinnert, de
Mann, aber warum gleich Sessel zertrümmern ?
Heidegger, der zeitgemäß »Wehrdienst des Geistes«
traktiert, unterläßt ja keineswegs, zu sagen, wie man
handeln soll : Man muß handeln im Sinne des fragenden, unge-
deckten Standhaltens inmitten der Ungewißheit des
Seienden im Ganzen. Zum Glück gibt die Zeitung, die es zitiert,
einen Anhaltspunkt : Prüfe und behalte das Beste : Berna-Käse. Gleichwohl tappt man. Das Bekenntnis zu Blut-
und Erdverbundenheit, mit dem sich jetzt diese
abgründigen Worthelfer der Gewalt beeilen,
könnte vielleicht an jene Gefahr der Verbindung
denken lassen, die zwar nicht in der Philo-
sophie, aber in der Medizin als Tetanus bekannt
| D
| gen
|₰
| r
| gebracht
| auf der Stelle
Jerusalemer Konvolut, fol. [54] recto
Pagination oben rechts: "54". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Weitere Textschichten
- Tinte, schwarz (Karl Kraus)
- Bleistift
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Datierung (terminus post quem)
Grundschicht: 18. 08. 1933 (zitierter Text)