| 4
| “,
| e
73
73
Politiker sagt, Deutschland, das immer groß ge-
wesen, habe »seine höchste Blüte entfaltet, wenn es
unterdrückt wurde«. Solche Anschauung zum Heil
der besondern und der weitern Menschheit — kon-
form der Meinung, daß Siege erlitten, Niederlagen
errungen werden ; daß den Österreichern Königgrätz
besser bekam als den Preußen, welchen vollends
ein kulturelles Sedan bereitet ward —, solches Den-
ken ist nun geschlagen von der Aussicht, daß selbst
eine Wiederholung und Steigerung des Unheils von
191▒ nichts nützen würde. Denn sogar bei eintreten-
der Apokalypse — deren Reiterschon da und dort
gesichtet werden — wäre | keine Spur jenes letzten
Endes zu erhoffen. Das eben ist, Gott sei’s geklagt,
die Geistigkeit, die schon einst so genannte »Men-
talität, deren Sporn und Stachel jetzt wieder ein
gesitteteres Deutschtum zu spüren bekommt und
gegen die es sich kürzlich mit einer erstmaligen
Einsicht gewahrt hat. Man muß nicht ins Quartär,
vondem ich abschweife, aber bis zum Kriegsbeginn
zurückgehen, um des Kontrastes habhaft zu werden,
den eine Äußerung erkennen läßt, wie diese :
Der Geist dieses himmelstürmenden Kraftbewußtseins, der da aus den
Retorten der Gelehrtenstuben geboren wurde und in Büchern und
Reden seinen Niederschlag fand, hat nicht zuletzt jene unheilvolle
Vorstellungswelt in Europa hervorgebracht, die dem Ausland das
Wesen des deutschen Volkes in einer ganz wahrheitswidrigen
Verzerrung zeigte und aus diesem schrecklichen Irrtum
den Weltkrieg entspringen ließ.
wesen, habe »seine höchste Blüte entfaltet, wenn es
unterdrückt wurde«. Solche Anschauung zum Heil
der besondern und der weitern Menschheit — kon-
form der Meinung, daß Siege erlitten, Niederlagen
errungen werden ; daß den Österreichern Königgrätz
besser bekam als den Preußen, welchen vollends
ein kulturelles Sedan bereitet ward —, solches Den-
ken ist nun geschlagen von der Aussicht, daß selbst
eine Wiederholung und Steigerung des Unheils von
191
der Apokalypse — deren Reiter
gesichtet werden — wäre | keine Spur jenes letzten
Endes zu erhoffen. Das eben ist, Gott sei’s geklagt,
die Geistigkeit, die schon einst so genannte »Men-
talität
gesitteteres Deutschtum zu spüren bekommt und
gegen die es sich kürzlich mit einer erstmaligen
Einsicht gew
von
zurückgehen, um des Kontrastes habhaft zu werden,
den eine Äußerung erkennen läßt
Retorten der Gelehrtenstuben geboren wurde und in Büchern und
Reden seinen Niederschlag fand, hat nicht zuletzt jene unheilvolle
Vorstellungswelt in Europa hervorgebracht, die dem Ausland das
Wesen des deutschen Volkes in einer ganz wahrheitswidrigen
Verzerrung zeigte und aus diesem schrecklichen Irrtum
den Weltkrieg entspringen ließ.
| bereits
| doch
| nun
| welchem
| doch
|₰
Jerusalemer Konvolut, fol. [74] recto
Pagination obere linke Ecke: "73". (#undefined)
Pagination oben rechts: "73". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Weitere Textschichten
- #undefined
- Tinte, schwarz (Karl Kraus)
Datierung (terminus post quem)
Grundschicht: 26. 05. 1933 (zitierter Text)