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| ü
| s
| k zum Marktschrei
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diese Aushölung verbrochen hat▒ Und solche Gemüts-
art, vom Klischee ans Ungeheure gewöhnt, befestigt
wieder den Gebrauch seiner Disponenten, und so
können sie für die Wahrheit eine Fassung finden,
die sie vor ihr verlieren müßten : Man kann ruhig sagen, daß Millionen von Menschen in
Deutschland vor dem Hungertode stehen. Wie sollte freilich jener Rest von Empfänglichkeit
noch vorhanden sein zur Vergegenwärtigung eines
männermordenden Waltens, dessen Bericht von Ver
heißungen einer »Femina« durchquert wird ; wie
wäre ihm die Vorstellung erlangbar einer Blutorgie
johlender Landsknechte, auf deren Stichwort förmlich
die Rehabilitierung eines Nachtlokals einsetzt, von
dem — und im Kontrast einer SA.-Kaserne mit Recht —
gerühmt wird, es sei »kein Sadistenkabarett«. Wie
sollte die Hörerschaft dieser zügellosen Berichter-
stattung den Torturen eines alten Rabbiners Mitleid
zuwenden, wenn auf demselben Blatt die Wonnen
eines jungeren Generaldirektors Ablenkung gewähren ?
Die▒em Zeitungsbericht einer Humanität, die das Un-
glüch prostituiert und die noch lügt, wenn sie die
Wahrheit sagt, entspricht vollauf der Habitus einer
Leserschaft, die erst, wenn sie ein Tausendstel zu
spüren bekommt von dem, was sie nicht glaubt, die
Verbindung mit der Menschheit wieder aufnimmt.
art, vom Klischee ans Ungeheure gewöhnt, befestigt
wieder den Gebrauch seiner Disponenten, und so
können sie für die Wahrheit eine Fassung finden,
die sie vor ihr verlieren müßten : Man kann ruhig sagen, daß Millionen von Menschen in
Deutschland vor dem Hungertode stehen. Wie sollte freilich jener Rest von Empfänglichkeit
noch vorhanden sein zur Vergegenwärtigung eines
männermordenden Waltens, dessen Bericht von Ver
heißungen einer »Femina« durchquert wird
wäre ihm die Vorstellung erlangbar einer Blutorgie
johlender Landsknechte, auf deren Stichwort förmlich
die Rehabilitierung eines Nachtlokals einsetzt, von
dem — und im Kontrast einer SA.-Kaserne mit Recht —
gerühmt wird, es sei »kein Sadistenkabarett«
sollte die Hörerschaft dieser zügellosen Berichter-
stattung den Torturen eines alten Rabbiners Mitleid
zuwenden, wenn auf demselben Blatt die Wonnen
eines j
Die
glüc
Wahrheit sagt, entspricht vollauf der Habitus einer
Leserschaft, die erst, wenn sie ein Tausendstel zu
spüren bekommt von dem, was sie nicht glaubt, die
Verbindung mit der Menschheit wieder aufnimmt.
Und solcher Beschaffenheit durchaus angepaßt
ist die der Kulturfaktoren, die alles das, was sie
nicht selbst betrifft, nicht zu ihrer Sache machen,
um diese nicht zu gefärden ; und die sich gegen
das, was sie schon betroffen hat, in der Erwartung
wehrlos halten, es werde doch wieder gut ausgehen.
Gegenüber den leiblichen Maßnahmen einer erpres-
serischen Gewalt, die | Wegwurf der Ehre erzwingt,
schien ja keinWiderstand vorstellbar : weder von
den nominellen Vertretern einer aufgelösten bürger-
lichen Ordnung, noch von einer Sozialdemokratie, Hiebefür die Zweifler im
Zweifelsfall, damit sie an▒
Gewalt glauben ! in den Maßen dieser politischen
Welt
ist die der Kulturfaktoren, die alles das, was sie
nicht selbst betrifft, nicht zu ihrer Sache machen,
um diese nicht zu gefärden ; und die sich gegen
das, was sie schon betroffen hat, in der Erwartung
wehrlos halten, es werde doch wieder gut ausgehen.
Gegenüber den leiblichen Maßnahmen einer erpres-
serischen Gewalt, die | Wegwurf der Ehre erzwingt,
schien ja kein
den nominellen Vertretern einer aufgelösten bürger-
lichen Ordnung, noch von einer Sozialdemokratie, Hiebe
Zweifelsfall, damit sie an
Gewalt glauben ! in den Maßen dieser politischen
Welt
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| Auf
Jerusalemer Konvolut, fol. [96] recto
Pagination oben rechts: "95". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Weitere Textschichten
- Tinte, schwarz (Karl Kraus)
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Datierung (terminus post quem)
Grundschicht: 17. 05. 1933 (zitierter Text)