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Ein Fremdwort geworden. Wie unbegründet aber
das Gerücht ist, die Unterhaltung mit dem Reichs-
kanzler habe eine ungünstige Wirkung auf den
Reichspräsidenten ausgeübt, beweist die Lesart der
‚Norddeutschen Allgemeinen‘, die noch heute den
Ruf eines Sprachrohrs bewährt : »Äußerungen Hinden-
burgs über Hitler«, welche ihr von einer Leserin
übermittelt wurden, die | gewiß nicht Blaschke heißt : »Die Zusammenarbeit mit dem neuen Reichskanzler ist mir täglich
von neuem eine Freude. Das Verhältnis zwischen mir und Hitler
ist so schön, wie es zwischen einem Großvater und
einem Enkel nicht schöner sein kann. Rührend ist die
Fürsorge, mit der er mich alten Mann umgibt. Immer ist er be-
müht, mir irgendwie behilflich zu sein, beim Setzen,
beim Aufstehen, wo es nur sei. Ich staune immer wieder über
die umfassende allgemeine Bildung, die er sich ange-
eignet hat. Er ist ein Mann, der mit großen Geistesgaben
ausgestattet ist. Daneben ist er ein tief religiöser Mann, und mit
viel Herzensgüte, der in schlichter Bescheidenheit immer der Mann
aus dem Volk bleiben wird.« Wie sagt doch — ? Mir schaudert vor dem garstigen Kunden Und seiner Rabentraulichkeit. Nein, nichts mehr ist erstaunlich ; höchstens daßdie
Übermenschen selbst noch das Maß von Gut und
Böse verwenden. »Was haben wir zu fürchten, wer
es weiß ? Niemand zieht unsre Macht zur Rechen-
schaft. Doch wer hätte gedacht, daß der alte Mann
noch so viel Blut in sich hätte ?— — »Diese Taten
wollen nicht so ergrübelt sein, sonst macht’s uns
toll«, sagt Macbeths Spornerin ; damals nahm man’s,
wenn es durchzustehen galt, nicht so genau. Auch
unterm spätrömischen Imperium nicht,wer brand-
gestiftet und auf die Christen abgewälzt wurde ; wo
Symbolgläubigkeit noch der Ernennung eines Pfer-
des zum Konsul standhielt ; wo das letzte Ende ein
Abtritt war, in dem der Herrscher im Frauengewand
von Prätorianern ermordet ward.
das Gerücht ist, die Unterhaltung mit dem Reichs-
kanzler habe eine ungünstige Wirkung auf den
Reichspräsidenten ausgeübt, beweist die Lesart der
‚Norddeutschen Allgemeinen‘, die noch heute den
Ruf eines Sprachrohrs bewährt
burgs über Hitler«, welche ihr von einer Leserin
übermittelt wurden, die | gewiß nicht Blaschke heißt : »Die Zusammenarbeit mit dem neuen Reichskanzler ist mir täglich
von neuem eine Freude. Das Verhältnis zwischen mir und Hitler
ist so schön, wie es zwischen einem Großvater und
einem Enkel nicht schöner sein kann. Rührend ist die
Fürsorge, mit der er mich alten Mann umgibt. Immer ist er be-
müht, mir irgendwie behilflich zu sein, beim Setzen,
beim Aufstehen, wo es nur sei. Ich staune immer wieder über
die umfassende allgemeine Bildung, die er sich ange-
eignet hat. Er ist ein Mann, der mit großen Geistesgaben
ausgestattet ist. Daneben ist er ein tief religiöser Mann
viel Herzensgüte, der in schlichter Bescheidenheit immer der Mann
aus dem Volk bleiben wird.« Wie sagt doch — ? Mir schaudert vor dem garstigen Kunden Und seiner Rabentraulichkeit. Nein, nichts mehr ist erstaunlich ; höchstens daß
Übermenschen selbst noch das Maß von Gut und
Böse verwenden. »Was haben wir zu fürchten, wer
es weiß ? Niemand zieht unsre Macht zur Rechen-
schaft. Doch wer hätte gedacht, daß der alte Mann
noch so viel Blut in sich hätte ?
wollen nicht so ergrübelt sein, sonst macht’s uns
toll«, sagt Macbeths Spornerin ; damals nahm man’s,
wenn es durchzustehen galt, nicht so genau. Auch
unterm spätrömischen Imperium nicht,
gestiftet und auf die Christen abgewälzt wurde ; wo
Symbolgläubigkeit noch der Ernennung eines Pfer-
des zum Konsul standhielt ; wo das letzte Ende ein
Abtritt war, in dem der Herrscher im Frauengewand
von Prätorianern ermordet w
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Jerusalemer Konvolut, fol. [153] recto
Pagination oben rechts: "149". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Weitere Textschichten
- Tinte, schwarz (Karl Kraus)
- Buntstift, rot
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