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will — der Fall begibt sich ! Und mit dieser Geistig-
keit, die so um die fixe Idee schwankt, hält man
sich — trotz jener täglichen, kläglichen Hinablizi-
tierung der Maiparole — für stark genug, dem Helfer
zu trotzen. Wer aber außer einem Lügner hätte den
Mut, zu leugnen, daß Notverordnungen nicht immer
nur einer Regierung den parlamentarischen Mißerfolg
ersparen, und daß die schlimmsten sozialen Rück-
schläge, die bei heilloser Gegebenheit eine gereizte Geg-
nerschaft bringen mag, immer noch tragbarer sind als
Todverordnungen ? Wer außer dem Heuchler könnte
es verantworten, das Verdienst ihrer Abwendung auf
Schritt und Tritt zu verkleinern, durch Verschweigen
su entstellen, durch üble Einrede zu stören ? Ist es
nicht schon ein vertracktes Maß von Gesinnungs-
tüchtigkeit, in solchen Zeiten auf ihrer Ausübung im
Umherziehn zu bestehen ? Gegen die endliche
Hemmung des Unfugs zu rebellieren, daß eine arme
Menschheit noch ihre letzten Schuhe zerreißt, und
das demokratische Ideal der Versammlungsfreiheit
für jene retten zu wollen, die ihr nach wirksameren
Gebrauch das radikalste Ende bereiten würden und
nur noch die Konzentration zugeständen ? Als ob bei
dem Gerede etwas anderes herauskäme, als daß wir
»kämpfen wollen«, wenn wir könnten, und die dem
Kräfteverhältnis nicht minder widersprechende Be-
hauptung, daß wir in sämtlichen Hinsichten, die es
gibt, »keine Vasallen« sein wollen. Wir wollten hin zur deutschen Republik. Wir wollen nicht ins deutsche
Konzentrationslager. Tun aber alles, damit wir hineinkommen. »Wir wollen
nicht« den braunen Faszismus, »wir wollen aber
auch nicht| den schwarzen«. Aber was wir eigentlich
wollen, ist noch nicht herausgekommen, und das
Fazit ist nur, daß wir uns von diesem vor jenem
retten lassen müssen, was wir ja immerhin »wollen«.
Denn die Entscheidung, vielleicht doch lieber »eine
Kolonie Frankreichs« als eine Preussens zu sein,
keit, die so um die fixe Idee schwankt, hält man
sich — trotz jener täglichen, kläglichen Hinablizi-
tierung der Maiparole — für stark genug, dem Helfer
zu trotzen. Wer aber außer einem Lügner hätte den
Mut, zu leugnen, daß Notverordnungen nicht immer
nur einer Regierung den parlamentarischen Mißerfolg
ersparen, und daß die schlimmsten sozialen Rück-
schläge, die bei heilloser Gegebenheit ein
ner
Todverordnungen ? Wer außer dem Heuchler könnte
es verantworten, das Verdienst ihrer Abwendung auf
Schritt und Tritt zu verkleinern, durch Verschweigen
nicht schon ein vertracktes Maß von Gesinnungs-
tüchtigkeit, in solchen Zeiten auf ihrer Ausübung im
Umherziehn zu bestehen ? Gegen die endliche
Hemmung des Unfugs zu rebellieren, daß eine arme
Menschheit noch ihre letzten Schuhe zerreißt, und
das demokratische Ideal der Versammlungsfreiheit
für jene retten zu wollen, die ihr nach wirksamer
Gebrauch das radikalste Ende bereiten würden und
nur noch die Konzentration zugeständen ? Als ob bei
dem Gerede etwas anderes herauskäme, als daß wir
»kämpfen wollen«, wenn wir könnten, und die dem
Kräfteverhältnis nicht minder widersprechende Be-
hauptung, daß wir in sämtlichen Hinsichten, die es
gibt, »keine Vasallen« sein wollen. Wir wollten hin zur deutschen Republik. Wir wollen nicht ins deutsche
Konzentrationslager. Tun aber alles, damit wir hineinkommen. »Wir wollen
nicht« den braunen Faszismus, »wir wollen aber
auch nicht| den schwarzen
wollen, ist noch nicht herausgekommen, und das
Fazit ist nur, daß wir uns von diesem vor jenem
retten lassen müssen, was wir ja immerhin »wollen«.
Denn die Entscheidung, vielleicht doch lieber »eine
Kolonie Frankreichs« als eine Preu
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Jerusalemer Konvolut, fol. [238] recto
Pagination oben rechts: "228". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Weitere Textschichten
- Tinte, schwarz (Karl Kraus)
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Datierung (terminus post quem)
Grundschicht: 30. 05. 1933 (zitierter Text)