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noch dauern wird. Vor Augen, müde des Mords, vor Ohren,
müde des Betrugs, vor allen Sinnen, die nicht mehr wollen
und denen die Mixtur aus Blut und Lüge widersteht, taumeln
und gellen noch diese täglichen Kommandos vorüber einer
Pestgewalt, die alles Erdenkliche gegen sich selbst vor-
kehrt : Vermögenseinziehung, Aberkennung der Staatsbürger-
schaft, Verhinderung der Neubildung politischer Parteien,
Zulassung von Spielbanken, Ausschaltung von Wirtschafts-
kommissaren, Zulassung von nur einem Drittel als Hospitan-
ten, Zwangsbeitritt zur Arbeitsfront, Eingliederung der
Studenzten in den freiwilligen Arbeitsdienst, Zusammenschlie-
ßung der Musiker in die Fachschaft, Anmeldepflicht für mit
Erbkrankheit Behqaftete, Verhaftung von Verwandten Entflohe-
ner, Anordnung zur Erhebung des rechten Armes, Erschießung
auf der Flucht. Wie lange noch ? Die Handlung rückt an den
Punkt, wo, wollt’ er nun im Waten stille stehn, Rückkehr so
schwierig wär’, als durchzugehn. Seltsames glüht im Kopf, es
will zur Hand, und muß getan sein, eh’ noch recht erkannt.
Doch ist’s gewiß, er kann den wild empörten Zustand nicht
mehr schnallen in den Gurt der Ordnung. Jetzt empfindet er
bgeheimen Mord an seinen Händen klebend ; jetzt straft Empö-
rung stündlich seinen Treubruch ; die er befehligt, handeln
auf Befehl, aus Liebe nicht. Jetzt fühlt er seine Würde zu
weit und lose, wie des Riesen Rock hängt um den dieb’schen
Zwerg. Mir war, als rief es : „Schlaft nicht mehr. Macbeth
mordet den Schlaf !“ Und drum wird Macbeth nicht mehr schla-
fen. „Denn so zu sein, ist nichts : doch sicher so zu sein !“
Beispiele gibt es, wie solcher Aufstieg, der Konsorten hat,
verläuft, wenn jeglicher Mitwisser, mehr als sein Teil be-
gehrend, nach der ergriffnen Macht greift.
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Nach außen alles einig : sie wird Jahrhunderte überdauer ;n ;
müde des Betrugs, vor allen Sinnen, die nicht mehr wollen
und denen die Mixtur aus Blut und Lüge widersteht, taumeln
und gellen noch diese täglichen Kommandos vorüber einer
Pestgewalt, die alles Erdenkliche gegen sich selbst vor-
kehrt : Vermögenseinziehung, Aberkennung der Staatsbürger-
schaft, Verhinderung der Neubildung politischer Parteien,
Zulassung von Spielbanken, Ausschaltung von Wirtschafts-
kommissaren, Zulassung von nur einem Drittel als Hospitan-
ten, Zwangsbeitritt zur Arbeitsfront, Eingliederung der
Studenzten in den freiwilligen Arbeitsdienst, Zusammenschlie-
ßung der Musiker in die Fachschaft, Anmeldepflicht für mit
Erbkrankheit Behqaftete, Verhaftung von Verwandten Entflohe-
ner, Anordnung zur Erhebung des rechten Armes, Erschießung
auf der Flucht. Wie lange noch ? Die Handlung rückt an den
Punkt, wo, wollt’ er nun im Waten stille stehn, Rückkehr so
schwierig wär’, als durchzugehn. Seltsames glüht im Kopf, es
will zur Hand, und muß getan sein, eh’ noch recht erkannt.
Doch ist’s gewiß, er kann den wild empörten Zustand nicht
mehr schnallen in den Gurt der Ordnung. Jetzt empfindet er
bgeheimen Mord an seinen Händen klebend ; jetzt straft Empö-
rung stündlich seinen Treubruch ; die er befehligt, handeln
auf Befehl, aus Liebe nicht. Jetzt fühlt er seine Würde zu
weit und lose, wie des Riesen Rock hängt um den dieb’schen
Zwerg. Mir war, als rief es : „Schlaft nicht mehr. Macbeth
mordet den Schlaf !“ Und drum wird Macbeth nicht mehr schla-
fen. „Denn so zu sein, ist nichts : doch sicher so zu sein !“
Beispiele gibt es, wie solcher Aufstieg, der Konsorten hat,
verläuft, wenn jeglicher Mitwisser, mehr als sein Teil be-
gehrend, nach der ergriffnen Macht greift.
wir sind keine Part4ei, wir sind eine Weltanschauung. Wer
wagt es, den Mythos durch Hunger zu stören ? Wir denken in Jahrhunderten . . . . Es fangen manche an zu
meckern. In Deutschland hat keiner zu meckern . . . .
Jerusalemer Konvolut, fol. [291] recto
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Typoskript, Höhe 260 mm, Breite 194 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
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Datierung (terminus post quem)
Grundschicht: 15. 07. 1933 (zitierter Text)