Es geht vorwärts. Die »Zusammenballung dessen was den deutschen Menschen bewegt «, von Goebbels ausdrücklich als Inhalt des nationalen Schaffens vorgeschrieben, beginnt sich anzubahnen. Die Führung war gut beraten, als sie sich zum Minister für Propaganda einen Mann ersah, der, wie bis dahin nur Diebold , sowohl für den Reiseverkehr (nach dem jetzt wünschenswertesten Ziel) wie für den geistigen Aufbau zu wirken befähigt scheint. Goebbels ist ein Kenner aller einschlägigen Terminologie, deren Verwendung dem Asphaltschrifttum nicht mehr möglich ist. Er hat die Einstellung wie die Einfühlung, er kennt den Antrieb wie den Auftrieb, die Auswertung wie die Auswirkung, die szenische Aufmachung, den filmischen Aufriß wie die Auflockerung und was sonst zum Aufbruch gehört, er hat das Erlebnis und den Aspekt, und zwar sowohl für die Realität wie für die Vision, er hat Lebensgefühl und Weltanschauung, er will das Ethos, das Pathos, jedoch auch den Mythos, er besorgt die Einordnung wie die Gliederung in den Lebensraum und den Arbeitsraum der Nation, er umfaßt den Gefühlskreis der Gemeinschaft und die Vitalität der Persönlichkeit, er bejaht das Volksmäßige wie das Übernationale und bevorzugt die Synthese, er verleiht Impulse und gibt Andeutungen im Peripherischen, ehe er zur zentralen Erfassung gelangt, um das Latente zu verankern und das Problematische im Zerebralen herauszustellen, er weiß Bescheid um Epigonisches und um Werdendes, wertet das Wollen, erkennt das Gewollte, wie daß Kunst ein Gekonntes ist, würdigt das Gelöste, das Aufgeschlossene, das Geformte, und kann zwischen einem Gestuften und einem Geballten unterscheiden, ja ich vermute, daß er sogar im Kosmischen orientiert ist ; jedenfalls sieht er Entwicklungsmöglichkeiten und bestimmt gefühlsmäßig den Typ, der sich zwangsläufig, aber letzten Endes doch in der Geschmacksbildung auswirkt, er weiß, daß, wenn die Willensbildung zur Willenseinheit und von hier zur Tateinheit und Kultureinheit vordringt, Sturm und Rhythmus prominente Faktoren bilden und daß es dann zwar aufs Ganze geht, aber zunächst aufs Stählern-Romantische — kurzum, ihm wird man nichts vormachen, was man ehedem in der Kulturkonfektion von B. T. oder B. Z. gefunden hat und was, ob neudeutsch oder neujüdisch, auf die Gegend wies, wo kein Gras wuchs außer jenem, das sie hörten.Jedem Worte klingtDer Ursprung nach, wo es sich her bedingt. Nur daß man jenen eben nie die Aktivität zugetraut hätte, deren die Bodenständigen fähig sind ; ganz abgesehen davon, daß bisher noch kein Journalist einen richtiggehenden Prinzen zum Adjutanten gehabt hat . Diese Fixigkeit in dem, was sie »Aufziehn der Chose« (oder auch der »Kiste«) nannten, setzt die gerissensten Kulturfaiseure in Staunen, die det Kind ja immer schon geschaukelt haben, beschämt alle Wunder einer entthronten Theaterregie, läßt aber auch die Vertreter einer bessern Sache bedauern, daß ihr solch eine Kraft als Minister für Greuelpropaganda verloren ging. Und doch hat sich eben im Tonfall der deutschen Welt nichts verändert. Mit den gleichen geistigen Mitteln erfolgt die Verankerung dessen, was heute zu verankern ist, Vision ist Phrase, Rhythmus das alte Überbleibsel der Syntax, das der Expressionismus für kollektives Erlebnis festgelegt hat, und selbst verdrängte Komplexe, die doch zweifellos verdächtiger Herkunft sind , finden Unterkunft. Hat doch sogar der Führer , dessen Ausdrucksvermögen keineswegs von Gundolf geschult wurde und dessen Weltbild nicht so sehr durch Freud als durch Karl May geformt scheint, bereits den Minderwertigkeitskomplex beklagt, an dem die Nation leide. Was tat aber bisher das Theater ? Es trieb den Individualismus auf die Spitze, indem es die verdrängten Komplexe irgendeines kranken Menschen auf die Bühne brachte. Das nannte man l’art pour l’art. Der Kulturbevollmächtigte weiß alles auf einmal, er ist im ganzen Umkreis des literarischen Slang zu Hause, der Abstrakta, die in Berlin jede Schreibmaschine von sich gab, und er weiß gelegentlich sogar an jene polemisch-satirische Note anzuknüpfen, der ich oft das Objekt vorzog, wenn sie etwa »Röllchen« als Anzeichen zivilisatorischer Rückständigkeit geißelte, den »Vollbart« (auch »Würdebart« oder »Rauschebart« genannt) hechelte und »Pathos« ironisierte, sobald es »sich an die Männerbrust schlug«. Es ist die öde Gewitztheit, die auch »Huschhusch, die Waldfee !« machen konnte, so daß man selbst diese im Original für das kleinere Übel hielt ; wie alles Unzeitgemäße, von dem sie sich mit einem eingestreuten »Hei !«, »Ha !«, »Hu !« distanzierte, mit dem satirischen »traun, fürwahr«, das weit ärger ist als das ernsthafte, oder gar mit diesem enervierenden »erschröcklich«, das doch erst so den Sinn erfüllt. Dieser Typus Schalk, selbst Inbegriff aller Betriebsamkeit, durchschaute auch den »Betrieb« und erkannte besonders die, die »in« etwas »machen«, was psychischer Natur sein sollte, vor allem »in Gesinnung«. Nun läßt sich der Satiriker Goebbels , der schon »die hohe Wissenschaft hinter Aktbündeln versteckt « sah, das Zugeständnis abringen, niemals dürfe der Rundfunk nur in Gesinnung machen oder : damit will ich aber nicht etwa sagen, daß Kunst Parademarsch sein müßte. Welcher einem dadurch sympathisch wird, abgesehen von der Unehrlichkeit, die weiß, daß der Kunst nichts anderes übrig bliebe, als eben das zu sein und darin zu machen, selbst wenn sie von Natur anders könnte. Noch überraschender, zu hören, daß Goebbels auch den »Hurrakitsch« ablehnt , dessen bloße Aussprache durch den Berliner Mund einen der Sache geneigt macht. Der Zivilisationsliterat kann aber auf das satirische Klischee nicht verzichten, obschon es einer Bewegung nahetritt, deren Wesen aus nichts als Kitsch und Blut zusammengesetzt ist ; denn sein Wesen ist nichts als die Unverbundenheit mit allem, worüber er verfügt. So ist zwar noch keine Parole gegen das Blut ausgegeben worden, wohl aber gegen den Kitsch, in der irrtümlichen Annahme, daß etwas Besseres herauskommen könnte. Denn der Mann, dessen Züge faktisch weniger die neue Wirklichkeit verbürgen als die ältere Ironie und der vielleicht sogar die Gastwirte und Zigarrenverkäufer durchschaut hat, die als Cherusker verkleidet durch den Grunewald zogen , gibt die Hoffnung nicht auf. Er scheint den Mosesstab zu haben, der Wasser aus dem Gestein holt . Er läßt Autoren, Direktoren und Verleger zu sich kommen, weist ihnen Richtungen, Wege und Ziele und erschreckt sie durch die Verheißung, »den schreibenden schöpferischen Teilen des Volkes würden so viele Probleme entgegengeschleudert, daß man hundert Jahre daran zu arbeiten habe «. Worauf die Artfremden nur sagen können : bis in hundert Jahr, und daß, wer früher fertig ist, von Glück sagen kann. Inzwischen geht die Entwicklung der Lebensdinge im Sturmschritt, wir haben es, wie die illustrierten Blätter zeigen, binnen zwei Monaten geschafft, daß den Jungfrauen meterlange Zöpfe gewachsen sind, und schon hat sich dem Führer eine Leibwache gesellt, bestehend aus »langen Kerls«, 1.95 .Vom frischen Geiste fühl ich mich durchdrungen,Gestalten groß, groß die Erinnerungen. Wenn demnach Fridericus rex vielfach wieder zu Ehren kommt — bis zum »Inspekteur«, aber ohne den Grundsatz, daß Gazetten nicht geniert werden sollen —, so wird doch auch an eine jüngere heroische Vergangenheit angeknüpft, die der Gedanken und Erinnerungen keineswegs entbehrt. So nannte sich jemand kürzlich einen »ehrlichen Makler « — offenbar ein Hieb gegen jene andern, die auf der Börse in Uniform herumgehn —; ferner gibt es Ansichtskarten, die ihn neben dem Schöpfer des vergangenen Reiches zeigen , und der Unterschied dürfte nur sein, daß wir Deutsche zwar auch damals nichts in der Welt gefürchtet haben, aber doch Gott . Dagegen sind Übertreibungen anderer Art ausdrücklich verpönt, wie zum Beispiel die Anbringung von Wahlsprüchen auf Gebrauchsporzellan , oder daß etwa auf der Messe einer Fleischerinnung Heldenporträts aus Schmalz ausgestellt werden, wie auch insbesondere die Verwendung von Papierrollen, deren Blätter einem Mißbrauch von Symbolen dienen, an Orten, deren Wand ohnehin damit versehen ist . Es handelt sich eben um eine durchgreifende geistige Erneuerung des deutschen Menschen, die das gesamte öffentliche Leben wie auch das Privatleben jedes Deutschen umfassen soll. Dieser Tendenz entstammt auch jener Kampfruf »gegen den Kitsch« , der aber eigentlich dem »gegen den undeutschen Geist« zuwiderläuft, indem er vielfach gerade dem echtesten Ausdruck volkstümlichen Empfindens nahetritt. Auch der deutsche Film, der doch schon von Natur dem Gebiete des Kitsches zuneigt, wurde angewiesen, sich »mehr mit den Ideen der neuen Zeit« zu versorgen als mit deren Symbolen, wobei allerdings die Frage entsteht, woher jene zu nehmen wären, wenn man sich nicht entschließen wollte, sie zu stehlen, was man auch täte, falls es sie gäbe. Während nun der Kampf gegen den Kitsch weitergeht, wurde für den ersten Besuch des Reichskanzlers im Berliner Rathaus vorgekehrt, daß »zu beiden Seiten des Vestibüls Herolde in historischen Trachten Aufstellung nahmen« , eine Neuerung, durch die mit einer alten Tradition gebrochen wurde, der zufolge man sich den Berliner Herold nur als den Künder der Botschaft vorzustellen gewohnt war, die mit »Wissen Sie schon« beginnt, um fortzusetzen, daß die Prominente Gert Rut Sadinsky kürzlich mit Rechtsanwalt Wolff III in einem Hotel in der Kantstraße verschwunden ist, und was wohl Frau Rechtsanwalt dazu sagt, die ihrerseits zuweilen mit dem Filmstar Fred Neppke gesehen wird.