Gleichwohl, der Boden ist vorbereitet, die Scholle gelockert, der Asphalt entfernt. Und nicht zu verkennen, daß die Richtlinien einer Säuberung, die entschieden angestrebt wird, von einer fachwissenschaftlichen Kompetenz bestimmt sind, in der sich das Mißvergnügen verrät, das der Bartels an der Epoche hat und das auf Gegenseitigkeit beruht. Das Ereignishafte in allen Wirtschaftssphären der Bewegung⁠ ⁠: daß die Faust aus dem Sack hervorgeholt wird und mit oder ohne Schlag nach der freigewordenen Gelegenheit greift, tritt als tragische Drolerie in ihren kunstpolitischen Maßnahmen hervor. In den Laubenkolonien, Schrebergärten und Siedlungen spielt sich täglich das Schicksal von Philemon und Baucis ab, und die Enteignung des Gütchens im Zeichen der drei Gewaltigen vollzieht sich im legalen Wege des Rechtsbruchs oder kurzer Hand. Doch auch sonst gestattet die Regel der Anordnung die Ausnahme, daß das Metaphorische mit dem Eigentlichen übereingeht, indem der Dilettant sich die Lorbeern, die ihn nicht schlafen ließen, mit Hilfe einer SA-Kolonne holt. Auch in der Literatur waren Fälle von Schmutzkonkurrenz mit blutigem Ausgang zu verzeichnen. Was da mit zwei tüchtigen Ellbogen, manchmal physisch, dem Übelstand, daß der Jude schnellerundmehr Jeld verdient entgegenzuwirken trachtet, nennt sich nicht ohne Berechtigung »Kampfbund«, und ganz walpurgisgerecht vollzieht sich diese Neuordnung⁠ ⁠:Als angesichts der höchsten Ahnen,Der Nacht, des Chaos ich mich stark betrugUnd, in Gesellschaft von Titanen,Mit Pelion und Ossa als mit Ballen schlug⁠ ⁠:Wir tollten fort in jugendlicher Hitze,Bis überdrüssig, noch zuletztWir dem Parnass, als einer Doppelmütze,Die beiden Berge frevelnd aufgesetzt. Blutige Dilettanten⁠ ⁠: auch sie haben die Phrase effektuiert. Die »Schwarze Liste« verfolgt den Zweck, den Büchermarkt endlich für jene frei zu machen, die aus dem Umstand, daß sie ihn bisher nicht gewinnen konnten, ihre Berechtigung und Berufung herleiten, was freilich ein noch verhängnisvollerer Trugschluß ist als der der anderen, die sie aus der Zulassung zu erschließen gewohnt waren. Der Vorsatz, dieser Illusion zu begegnen und jener zu genügen, erschuf eben die Schwarze Liste, den Index der von der Schwelle des Dritten Reichs gewiesenen Literatur, welchen man sich aber nicht etwa als einen Leviathan vorstellen darf, der sämtliche Juden verschlungen hat. Es handelt sich vielmehr um eine Zusammenstellung von Glückspilzen, unter denen wieder diejenigen mit einem Stern bezeichnet sind, die verbrannt wurden und darum als Sehenswürdigkeiten erhalten bleiben. Doch auch verirrte Arier haben in der Liste, in der ich bloß 191 Autoren und zwei Anthologien zähle, Unterschlupf gefunden, und von manchen sind wieder bestimmte Werke ausgenommen, die mithin der Vergessenheit anheimfallen sollen. Selbstverständlich beunruhigt es mich, warum von Bonsels, der sich mit dem Anschluß übereilt hat, »Alles außer« der Biene (nebst zwei anderen Schöpfungen) verschont wird, und warum von Werfel ausgerechnet die Barbara zugelassen ist, was wieder die Undset mißverstanden zu haben scheint, die ihr Wohlgefallen an der Aktion ausgesprochen hat. Daß von Lernet-Holenia die »Gedichte« erhalten bleiben, sei nicht ohne Schadenfreude vermerkt. Ehrliche Befriedigung gewährt dagegen der Umstand, daß Ewers (HH⁠ ⁠!) trotz seinem Horst Wessel die Alraune nicht hinüberbringen konnte, nachdem schon die französische Presse triumphiert hatte⁠ ⁠: Un auteur pornographique dictateur littéraire du troisième Reich⁠ ⁠! Er bleibt mit seinem Besten und insbesondere mit dem, was ihn mit Magnus Hirschfeld verknüpft, auf den österreichischen Büchermarkt angewiesen. Ich könnte, die Gelegenheit ergreifend, wo Denunzieren Nutzen bringt, ihm noch durch die Enthüllung schaden, daß er einst das Judentum und insbesondere Heinrich Heine verherrlicht hat, dem soeben eine Straßentafel in Chemnitz aberkannt wurde mit der ausdrücklichen Begründung⁠ ⁠: . . Es dürfte angebracht sein, die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, daß Heinrich (Harry) Heine (1798—1856), nach dem diese Straße bisher benannt war, ein deutschfeindlich eingestellter jüdischer Dichter gewesen ist. Heine war der Begriff »Ehrfurcht vor allem Hohen und Heiligen« . . stets unbekannt . . Auch das Deutschtum an sich zog er in den Schmutz⁠ ⁠! während Ewers behauptet, daß das Herz dieses Dichters nichts anderes war alsEine singende Laute⁠ ⁠! — War ein Gralsjuwel,Das auch heute noch und in ferne ZeitenLeuchtend singt von der Welt und all ihren Herrlichkeiten. Und nicht genug an dem, ich könnte auch noch verraten, daß er aus dem Jiddischen einen förmlichen Fluch gegen Judenverfolgungen nachgedichtet hat⁠ ⁠:Wohin nur des Juden Schritte sich lenken,Stets wird er, o Rußland, der Blutschuld gedenken,Wir beten, daß Gott dir nichts möge schenken⁠ ⁠!Drum weh jedem Volk, das dir tritt zur Seite,Und Schmach jedem Manne, der für dich streite⁠ ⁠! Wie man aber sieht, zeige ich’s bloß wegen des schlechten Konjunktivs an, der da für eine gute Sache verwendet wird. Und außerdem bezieht sich’s doch auf Rußland⁠ ⁠:Ein Fluch aus Schmerzen und Stöhnen und Klagen —Der Fluch soll dich treffen — und er wird dich erschlagen⁠ ⁠!