Gewisse Unebenheiten gewinnen jedoch gleich ein anderes Aussehen, wenn ihnen die Rechtsprechung angepaßt wird. Nach den in der ‚Deutschen Juristenzeitung‘ von einem Landgerichtspräsidenten festgelegten Richtlinien ist eine Reihe von Taten, wie Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Tötung, als »durch den nationalen Zweck bestimmt« anzusehen und darum vom Verdacht einer strafbaren Handlung vorweg befreit, während bisher immer erst Abolition eintreten mußte. Weitwendigkeiten wie bei den Mördern von Potempa, deren Leben an einem Haar hing und deren Beamtenlaufbahn dann durch einige Monate verzögert war, werden sich nicht wiederholen. Was vom Richter verlangt wird, ist der Mut zu einer gewissen Selbständigkeit der Rechtsauffassung, damit er den Weg in dieser so wichtigen Frage nicht verfehle⁠ ⁠: Er wandelt dabei auch auf altgermanischen Pfaden. Der innere Feind verfiel bei unseren Altvorderen der Acht und wurde ehrlos, rechtlos und friedlos, vogelfrei⁠ ⁠; jeder Volksgenosse konnte ihn offen erschlagen, sofern er sich nicht auf geweihter Stätte befand. Die restlose Ausrottung des inneren Feindes gehört zur Wiederherstellung der deutschen Ehre. An ihr kann der Strafrichter durch großzügige Auslegung des Strafgesetzbuches teilnehmen. Der Fachmann spricht die Erwartung aus, daß die bevorstehende Neuordnung des Strafrechts mancherlei Ungewißheit beendigen und ängstliche Gemüter unter der Richterschaft beruhigen werde. Dies wird sich umso leichter herbeiführen lassen, als sie wohl auch Zuzug aus den Kreisen der nationalen Vorkämpfer erhalten dürfte, die nach veralteter Rechtsauffassung wegen Messerstechens verurteilt waren und schon vielfach an leitende Polizeistellen aufgerückt sind, nachdem sie die Amtsvorgänger verprügelt hatten.|| Natürlich wäre es wieder übertrieben, wenn man behaupten wollte, daß alle Würdenträger vorbestraft⁠ ⁠; beim Kultusminister zum Beispiel, der überhaupt keine Gewalttätigkeit begangen hat, sich aber vom frühern Regime in einen Sexualprozeß verwickeln ließ, war der Strafausschließungsgrund wegen verminderter Zurechnungsfähigkeit (§ 51) angenommen worden. Gleichwohl hatte er bei den neuen Machthabern, die sonst mehr Beweise persönlicher Tatkraft berücksichtigen, einen Stein im Brett.|| Wie peinlich bei der Neuordnung auf die Grundsätze des internationalen Rechtshilfeverkehrs Bedacht genommen wird, zeigt der Umstand, daß trotz der gegenwärtigen politischen Spannung auch österreichische Verbrecher, insbesondere Bombenwerfer der gleichen Chance teilhaft werden, nachdem sie als Rundfunkredner durch Aufklärung über die barbarischen Sitten ihrer Heimat sich der Vorteile des Asyls würdig gezeigt haben. Wenn man bedenkt, wie schwierig sich im Allgemeinen die Arbeitsbeschaffung für Emigrierte gestaltet, so ist das Entgegenkommen der deutschen Behörde umso bemerkenswerter, welche einen Doppelmörder auf Grund keiner andern Empfehlung als eines Steckbriefs der Wiener Polizei als Aufseher in Dachau angestellt hat. Freilich darf man nicht außeracht lassen, daß hier insofern eine moralische Verpflichtung besteht, als die Bombenanschläge für Österreich vom Münchner Polizeipräsidenten in Auftrag gegeben sind. Was dagegen jene Personen betrifft, die sich durch Flucht ins Ausland der deutschen Justiz entzogen haben, so dient die Beschlagnahme ihrer Vermögenswerte hauptsächlich zur Wiedergutmachung der Schäden, die im Zuge der nationalen Erhebung an ihren Wohnstätten eingetreten sind, indem sich etwa eine Zerstörung des Mobiliars und die Zertrümmerung von Klavieren als notwendig herausstellte und auch Silbergerät abhanden kam. Daß von solchen Mietern, die ihre Wohnungen einfach im Stich gelassen und der Obhut von SA.-Männern überantwortet haben, pünktlich der Mietzins eingefordert wird, versteht sich bei einem Ordnungssinn, der niemals ausgesetzt hat, ebenso von selbst wie daß ihnen auch regelmäßig die Steuervorschreibungen zugestellt werden. Doch von Grund auf macht sich die Tendenz nach Rechtssicherheit, wie sie in verschiedenen Erlässen angefordert wird, geltend, indem nicht nur der Bruch mit überlieferten Vorurteilen vollzogen, sondern auch Aufbauarbeit geleistet wird, indem etwa kommunistische Angeklagte in der Verhandlungspause zu einem Geständnis gebracht werden. So würde sich der Sinn der nationalen Erhebung allmählich als der einer Befreiung von überlebten Strafsanktionen herausstellen, bis zu dem Maße, daß nicht Leben, Freiheit, Ehre und Besitz, sondern die Eingriffe in diese Lebensgüter als Rechtsgüter zu gelten haben. Leider wird aber auch hier die Einheitlichkeit durch irreguläre Anordnungen einzelner Amtswalter unterbrochen, wie etwa jene verblüffende Aktion zur »Bekämpfung des Erpressertums«, die einer auf eigene Faust unternommen hat. Da wurde behauptet, daß verantwortungslose Elemente die durch die nationale Erhebung geschaffene Lage zu erpresserischen Handlungen ausnützen, daß sie nämlich, »häufig genug mit Erfolg«, von wohlhabenden Leuten durch gewaltsames oder drohendes Auftreten mehr oder weniger erhebliche Geldbeträge oder sonstige Vermögensvorteile zu erlangen trachten, indem sie sich, nicht selten unter Mißbrauch von Uniformen oder Abzeichen, als Beauftragte von amtlichen Stellen oder hinter der Regierung der nationalen Erhebung stehenden Verbänden ausgeben. Die Polizeibehörden werden alles daransetzen, um in jedem Falle der Täter habhaft zu werden. Erstens ist es nicht wahr, jedenfalls nicht was die weniger erheblichen Geldbeträge anlangt. Dann pflegen die Polizeibehörden in solchen Fällen die Intervention abzulehnen, indem sie sich höchstens auf den Rat beschränken, zu zahlen, und der Zwischenfall wird auch in der Regel amikal beigelegt, indem die Bedrohten eine Erklärung unterzeichnen, es sei von ihnen nichts verlangt worden und zwar von SA.-Leuten, die nicht die richtigen waren. Schließlich aber ist zu sagen, daß mit solchen Maßnahmen an eine Lebensader der Bewegung gerührt wird, zumal da sie vielfach auch Vorkämpfer treffen, die, um beim Ausbruch das Ärgste zu verhüten, die Zügel in die Hand genommen haben, während anderseits doch immer wieder Fälle berichtet werden, die die Bereitwilligkeit, ja Opferbereitschaft der Gebenden dartun. Der um Österreich so verdiente Gauleiter Kothen schildert, wie er nach Worms kam, voll Staunen die Kameraden in den schmucken Privatwagen sah und einer von der alten Garde ihm lachend erwiderte, daß die Juden zur besseren Durchführung des Judenboykotts auf Anforderung dieselben freiwillig zur Verfügung gestellt und sich obendrein noch bereit erklärt hätten, das Benzin für die nächsten acht Tage zu zahlen. Und zu anderer Gelegenheit ergänzt er diesen Beweis der Hingabe zu einem vollkommenen Bild der Brüderlichkeit von Klassen, die eben auf einander angewiesen sind⁠ ⁠: Die Lebensmittel für die Gefangenen werden meistens von jüdischen Firmen, die dem freundlichen Zureden unserer SA. nicht widerstehen können, reichlich gespendet. Allenthalben hat eine Urbanität der Umgangsformen Platz gegriffen, deren Außerachtlassung freilich die schwersten Unannehmlichkeiten nach sich ziehen kann. Während die Juden mit sich reden lassen, hat sich das Verhalten der Stahlhelmer, die neben den tapferen SA. und SS. einst wacker genannt werden konnten, dermaßen geändert, daß einer ihrer Kreisgruppenführer wegen Mangels an Takt ins Konzentrationslager gebracht werden mußte, hatte er doch durch sein Benehmen gegenüber den diensttuenden SA.- und SS.-Männern unliebsames Aufsehen erregt. Leider aber stellt sich heraus, daß auch diese selbst immer häufiger Anstoß erregen, indem sie nicht bloß dem Führer huldigen, sondern, »unter dem Deckmantel des Aufbaus«, dem Eigennutz. Verweist man ihnen diese offenkundige Verletzung des Programms, so erwidern sie, daß, wenn es alle tun, Gemeinnutz erzielt wird. Mit Ach und Krach, mit Krupp und Thyssen ist man zur Evolution gelangt, einem Fremdwort, wie etwa Reichspräsident, welches aber doch etwas bedeutet, nämlich daß man statt unrechtmäßiger Vorteile Vernunft annehmen soll. Eine Neuerung, die freilich nicht leicht durchzusetzen sein wird, denn woher nehmen, was nicht gestohlen werden kann⁠ ⁠? Der Führer predigt Vernunft, und es sind gerade die national verdientesten Männer, die sich durch diese Forderung vor den Kopf gestoßen fühlen. Ihre nutzbringenden Einzelaktionen werden immer häufiger durch unliebsame Anordnungen unterbunden, die mit weit mehr Recht diesen Namen verdienen und darum auch gerechterweise zurückgezogen werden. Von allem Anfang an war ja bei einer opfervollen Revolution, die letzten Endes unblutig verlaufen sollte, ein gewisses Durcheinander begreiflich, das allerdings wieder im publizistischen Abbild zur Ordnung kommt. Wir haben einen Umbruch und eine Korrektur der Entwicklung erlebt, jedoch die Druckfehler der Weltgeschichte sind im Zeitungsblatt präformiert als Vorzüge, als die Verräter einer Wahrheit, hinter die sonst erst die Nachwelt käme. Mein und Dein sind verwechselbare Lesarten⁠ ⁠; da man aber vollends nicht wußte, was zu »beseitigen« und was zu »verteidigen« war, wie nach der ganzen Sachlage, schien Goerings Ansprache der SA. einleuchtend als der getreuen Helfer zur Verteidigung von Unruhen und Auswüchsen. Nicht minder glaubhaft das von Goebbels abgelegte Bekenntnis, die nationale Revolution ziehe ihre Kräfte aus dem fanatischen Gefängnis zum eigenen Volk . . . . Während wieder die deutschen Behörden gewohnheitsmäßig das tun, was sie bestreiten, indem sie eine Massenflucht deutscher Juden energisch betreiben . . . . Dabei geschieht das Erdenklichste, um den geänderten Lebensverhältnissen die Rechtsgrundlage anzupassen und diese als Exerzierplatz einzurichten. Das erste Gemeinschaftslager für die heranwachsende Richtergeneration ist in Jütebog eröffnet worden, und während Assistenzärzte ihre Vorgesetzten verhaften, die durch wissenschaftliche Leistungen über Rassenfehler zu täuschen versucht haben, werden den Referendaren beim Betreten der Baracke die juristischen Bücher abgenommen, gemäß der ausdrücklichen Bestimmung, daß Geländesport wichtiger sei als »Büffeln« und auch der »Unterricht in Rassefragen und Versailles« nebst einer Putz- und Flickstunde hinreichend der Rechtsfindung diene. Denn »die Zeit der juristischen Stubenhocker und Paragraphenjünglinge ist vorbei«, und es geht jetzt darum, das corpus juris zu stählen und mit dem Geist des nationalsozialistischen Staates zu erfüllen, welchem Zweck in passender Verknüpfung mit dem Berufsinteresse das vor der Baracke angebrachte Symbol gerecht wird⁠ ⁠: ein Galgen, an dem ein Paragraph in der Schlinge hängt, was der juristischen Jugend, nach den Illustrationen zu schließen, ein Mordsgaudium verursacht. Indem ferner Studierende der Philosophie und leider auch Theologie damit beschäftigt sind, an jüdischen Geschäften Hakenkreuze aufzuschmieren, wären bereits sämtliche Fakultäten der neuen Bestimmung zugeführt, alle des Rechtes teilhaft, die Professoren davonzujagen, die aber gleichfalls die Mußezeit des Studiums in Lagern verbringen und auf Märschen mit gutem Beispiel vorangehn. Doch auch viele Studierte, die sich schon in Berufen befinden, befinden sich nicht mehr in diesen, sondern in Lagern. Die Besichtigung aller Lager, sowohl der der Gemeinschaft wie der der Konzentration, steht natürlich der inländischen Presse frei, die sich bereit erklärt hat, über das Erlebte wahrheitsgetreu zu berichten, wodurch man erfahren kann, daß sich die Lagerinsassen über nichts zu beklagen haben. Dagegen werden ausländische Korrespondenten nicht mehr zugelassen welche die Klagen, die sie über die Lebensweise in den Lagern zu hören bekamen, an ihre Zeitungen weitergaben. Eine Einmischung in innere Angelegenheiten, die sich wohl mit der Souveränität keines Staates vertrüge und deren Abweisung wieder nur auf ein geheucheltes Unverständnis stößt. Auch Differenzen zwischen den deutschen Ländern betreffs der Zahl der Schutzhäftlinge gehen im Grunde das Ausland nichts an. Wenn der preußische Innenminister feststellt, daß »ganz Deutschland 18.000 und Preußen davon 12.000 habe«, und der sächsische Innenminister nicht ohne berechtigten Stolz erklärt, daß »Sachsen allein über das Doppelte an Schutzhäftlingen habe als das viel größere Preußen«, so geht zunächst schon aus den Quellen der Berechnung klar hervor, daß es sich da wie dort um eine Innenangelegenheit handelt⁠ ⁠; aber auch die scheinbare Unstimmigkeit, daß Sachsen über 24.000 von den gesamtdeutschen 18.000 Schutzhäftlingen hat, läßt doch die Übereinstimmung mit Preußen in dem Punkte zu, daß in ganz Deutschland nicht, wie eine ausländische Telegraphenagentur behauptet hat, 100.000 Schutzhäftlinge gezählt werden, und darum handelt es sich. Wie sich selbst diese Anzahl zwischen den Ländern verteilen würde, ist ausschließlich deren Sache, und wenn die Einheit Deutschlands in diesem Punkte noch nicht erzielt ist, so beweist dies höchstens, daß jedes der Länder ihn als Ehrenpunkt in Anspruch nimmt, nämlich vor einander möglichst viele Schutzhäftlinge zu haben und nach außen möglichst wenig. Mit demselben Recht könnte man schließlich auch eine Verschiedenartigkeit der Auffassungen bei Dingen bemängeln, die nicht auf rechnerischer Grundlage beruhen. Wir haben gehört, daß in der Beurteilung des Phänomens der Erpressung die Ansichten auseinandergehen, wiewohl es doch unstreitig den Hebel aller innen- und außenpolitischen Zielsetzungen bildet, sowohl materiell als ideell, wobei der materielle Wert in der materiellen Bedeutung beruht, die ihrerseits wieder den plastischen Ausdruck im materiellen Lohn findet. Zwischen Postenergatterung und Geiselzwang, zwischen kommissarischer Verfügung und Taschenraub, von dem freiwilligen Verzicht Beraubter oder der Unterschrift Gefolterter bis zu den Maßnahmen gegen Österreich — jeder Atemzug nationaler Leidenschaft, jede Gebärde des Aufbruchs Erpressung. (Denn je mehr Volksgenossen aus der vollbrachten Leistung Nutzen ziehen, umso größer ist der materielle Wert einzuschätzen, dem vielfach auch der ideelle gegenübersteht.) Erpressung außen und innen, vorn und hinten, noch im Untereinander jeglicher Mitwissenschaft von Machterschleichung und Mannszucht wider die Natur. Erpressung das nährende und erhaltende Element — höchstens mit Ausnahme der Fälle, wo die Alternative⁠ ⁠: Geld oder Leben als Zugeständnis der Willensfreiheit entbehrlich schien und kurzer Hand die doppelte Leistung willkommen. Später erfolgte also ein Rückfall ins Zweite Reich, indem Erpressung theoretisch verpönt wurde. Eine ähnliche Tendenz der Verwässerung zeigt sich nun auch gegenüber dem Problem der Denunziation, die gewiß eine nicht minder wesentliche nationale Daseinsform vorstellt. Auch gegen sie wurde scharfgemacht. Der Reichskanzler konnte sich eines Tages des Eindrucks nicht erwehren, daß in vielen Fällen nicht das Verlangen nach Gerechtigkeit den Antrieb bilde, Männer der Wirtschaft vor Gericht zu ziehen⁠ ⁠; mit einem Wort, die Angeberei schien ihm nicht der sittlichen Erhebung des Volkes, sondern niedrigen Instinkten, am Ende gar der Rachsucht, zu entspringen. Keineswegs ist aber das berechtigte Interesse zu übersehen, das solchen Anzeigen zugrundeliegt, nämlich eine Jahre zurückliegende und darum umso schmerzlichere Kränkung abzuwehren, ein Bestreben, dem man die wichtige Feststellung von politischen Äußerungen, auch wenn solche nicht gefallen wären, verdankt. So ist denn auch Goering, der immer spürt, wo Toleranz böses Blut machen könnte, ihr durch einen energischen Erlaß entgegengetreten, der die Förderung des Denunziantentums als eines staatserhaltenden Faktors anordnet und seinen Schutz gegen unberechtigte Eingriffe vorsieht. Volle Einigkeit scheint dagegen in der Erkenntnis zu bestehen, daß der Korruptionismus und insbesondere der Protektionismus, dem bereits sattsam Genüge geschehen ist, auszurotten sei. Offenbar nur um zu ermitteln, ob es noch derartiges geben könne, erscheinen im ‚Berliner Tageblatt‘ und im ‚Völkischen Beobachter‘ Annoncen, die den angestrebten negativen Erfolg haben müssen⁠ ⁠:Politiker, Oberingenieur, 40 J., derzeitige enge Beziehungen zu allerersten Kreisen, sucht industrielle oder wirtschaftl. Vertrauensstellung. Off. unt. — — NSDAP. Wer ist führendes Mitglied und hat ausgedehnte Beziehungen⁠ ⁠? Angesehene Firma sucht strebsamen Herrn — — Angebote an — — Kein Zweifel, daß es sich um eine Methode der Säuberungsaktion handelt, da die führenden Mitglieder, die ausgedehnte Beziehungen haben, längst keinen Posten mehr brauchen. Goebbels’ Bruder ist untergebracht, Franks II Vater, der etwas Geringfügiges angestellt hatte, rehabilitiert, Schirachs Familie versorgt, und jeder hat wenigstens seinen Vetter befördert, wenn’s nicht die Tante wegen der Großmutter verhindert hat.Ich merk’, es hat bei diesen LeutenVerwandtschaft Großes zu bedeuten. Auch dies aus Walpurgis⁠ ⁠? Alles⁠ ⁠!Es ist ein altes Buch zu blättern⁠ ⁠:Vom Harz bis Hellas immer Vettern⁠ ⁠!|| Die Gevatterschaft kann natürlich nur einen winzigen Bruchteil einer Korruption in Anspruch nehmen, deren Offenheit in jeder Form von Bestechung, Parteiversorgung oder Bereicherung auf Staatskosten ein Phänomen der Totalität bildet und die Seelenstärke beweist, mit der sich der Nationalsozialismus von den versteckten Gönnerschaften des frühern Systems großzügig abhebt. Wiewohl man immer wieder geneigt ist zu staunen, erklärt sich aus der vollkommenen Schamlosigkeit, die etwa die Zuwendung von Automobilen als Förderung der Automobilindustrie begründet, sozusagen zwangsläufig auch die Unerbittlichkeit, mit der die großen Diebe am Staatsgut solche hängen, die sie grundlos kleinerer Diebstähle beschuldigen. Irgendwie muß es weltanschaulich verankert sein, daß Banditen, die Bilder aus Kirchen abholen lassen, Männer, denen nichts vorzuwerfen ist, als daß sie für eine nützliche Wirksamkeit Gehalt bezogen haben, zum Karren schwerer Steine veranlassen. Mit den Stellungen einer erledigten Minorität die hinaufstrebende zu versorgen, konnte weder moralisch noch technisch ein Kopfzerbrechen bewirken, höchstens physisch an den frühern Inhabern, die den germanischen Grundsatz⁠ ⁠: »Ôte toi que je m’y mette⁠ ⁠!« nicht augenblicklich anerkennen wollten. Schwieriger ist es, mit den vielen fertig zu werden, die zu nichts gekommen sind und die der Neid verführt, den Wohlstand der andern in ein schiefes Licht zu bringen. Man versucht es, ihnen den Mund zunächst auf solche Art zu stopfen⁠ ⁠: Warnung⁠ ⁠! Es mehren sich die Fälle, in welchen seitens auch nicht marxistisch eingestellter Kreise Verdächtigungen gegen Amts- und Gemeindevorsteher und sonstige behördliche Stellen erhoben werden. Ich mache aus diesem Anlaß ausdrücklich darauf aufmerksam, daß ich für die Folge gegen haltlose Verdächtigungen mit aller Schärfe vorzugehen mich gezwungen sehe.|| Das Problem bleibt jedoch, wie man die Mehrzahl dienender Glieder versorgt, die sich ans Totale angeschlossen haben und noch immer sowohl auf die ideelle wie auf die materielle Erfüllung warten. Da jene Erledigung nicht alle Ansprüche befriedigen kann und mit dem Blutdurst beiweitem noch nicht der Hunger gestillt ist, so gewährt das sichere Bett der Evolution keinen ruhigen Schlaf. Elemente treten auf den Plan. Rütteln an der Illusion, mit der Staat gemacht wurde. Schauen nach, was dahinter steckt. Faustnaturen drohen zu vollenden, wo Ungesetz gesetzlich überwaltet, und wie auch verordnet sei —Indessen wogt, in grimmigem SchwalleDes Aufruhrs wachsendes Gewühl. Und die ungeheure Sorge um den Reichstagsbrand, die in der Weltgeschichte wie in der Kriminalgeschichte noch nicht dagewesene Schwierigkeit, daß die Täter der Justiz den Fall in Auftrag geben. Sie soll blinde Kuh spielen und zum Rechten sehn⁠ ⁠:Der darf auf Schand und Frevel pochen,Der auf Mitschuldigste sich stützt,Und⁠ ⁠: Schuldig⁠ ⁠! hörst du ausgesprochen,Wo Unschuld nur sich selber schützt. Wohl, deutsches Recht gleicht’s oft aus⁠ ⁠:Ein Richter, der nicht strafen kann,Gesellt sich endlich zum Verbrecher . . . . Aber deutsche Gewalt will mehr⁠ ⁠:Wie tobt’s in diesen wilden Tagen⁠ ⁠!Ein jeder schlägt und wird erschlagen,Und für’s Kommando bleibt man taub . . . .Der Mietsoldat wird ungeduldig,Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn,Und wären wir ihm nichts mehr schuldig,Er liefe ganz und gar davon.Verbiete wer, was Alle wollten,Der hat ins Wespennest gestört⁠ ⁠;Das Reich, das sie beschützen sollten,Es liegt geplündert und verheert. Und das Ausland⁠ ⁠?Man läßt ihr Toben, wütend Hausen,Schon ist die halbe Welt vertan⁠ ⁠;Es sind noch Könige da draußen,Doch keiner denkt, es ging’ ihn irgend an. Innere Angelegenheiten⁠ ⁠! Der Schatzmeister⁠ ⁠:Die Goldespforten sind verrammelt,Ein jeder kratzt und scharrt und sammeltUnd unsre Kassen bleiben leer. Deckung auf 7 Prozent zurückgegangen.Wir wollen alle Tage sparenUnd brauchen alle Tage mehr . . . .Verpfändet ist der Pfühl im Bette,Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.— — — — — — — — — — — —Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt⁠ ⁠?Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld. Doch gibt’s noch Fahnen, Feste, Feuerwerke⁠ ⁠:So sei die Zeit in Fröhlichkeit vertan⁠ ⁠!Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an.Indessen feiern wir, auf jeden Fall,Nur lustiger das wilde Carneval. Dennoch wird’s unbehaglich⁠ ⁠:Er ahnet nicht, was uns von außen droht,Laß ihn die Narrentheidung treiben,Ihm wird kein Raum für seine Possen bleiben⁠ ⁠;Gesetz ist mächtig, mächtiger ist die Not. Richtlinie⁠ ⁠: »Es genügt für die Wirtschaft nicht, Nationalsozialist zu sein. Die Leistung, nicht die Gesinnung entscheidet⁠ ⁠!« Und dafür haben sie gekämpft⁠ ⁠? Der Führer prägt das Wort, es gelte jetzt eine Synthese⁠ ⁠: zwischen dem idealistischen Nationalsozialismus und den realen Erfordernissen, also schlechthin zwischen dem Ideellen und dem Materiellen. Der Führer opfert sich⁠ ⁠: er will »vor nichts kapitulieren als vor der Vernunft«, die bisher vor ihm kapituliert hat. Sie betrachten diese Haltung als Fahnenflucht, und pfeifen auf Synthese⁠ ⁠:Das sind die saubern Neuigkeiten,Wo aus der Kehle, von den SaitenEin Ton sich um den andern flicht.Das Trallern ist bei mir verloren,Es krabbelt wohl mir um die Ohren,Allein zum Herzen dringt es nicht. Wie wird man mit den Gläubigen der Verheißung fertig, die sich als Gläubiger der Erfüllung gebärden⁠ ⁠?Am Ende treiben sie’s nach ihrer Weise fort,Als wenn sie nicht erzogen wären. Die Sibylle flüstert⁠ ⁠:Den lieb’ ich, der Unmögliches begehrt. Es dunkelt. Platz an der Sonne gefällig⁠ ⁠?Eilet, bequemenSitz einzunehmen,Eilig zum Werke⁠ ⁠!Schnelle für Stärke.Noch ist es Friede⁠ ⁠;Baut euch die Schmiede,Harnisch und WaffenDem Heer zu schaffen. »Wir haben nicht die geringste kriegerische Absicht«⁠ ⁠:Wer wird uns retten⁠ ⁠!Wir schaffen’s Eisen,Sie schmieden Ketten.Uns los zu reißenIst noch nicht zeitig,Drum seid geschmeidig. Draußen geht’s dreckig, erklärt Goebbels, drinnen drunter und drüber. Seldte huldigt, Hugenberg ward vom Teufel geholt, Papen soll sich als Herrenreiter produzieren⁠ ⁠:Das heiß ich frischen Hexenritt,Die bringen ihren Blocksberg mit. Hindenburg ist in Sicherheit⁠ ⁠:Laß du den Generalstab sorgenUnd der Feldmarschall ist geborgen. Immer mehr doch werden ihrer, denen die Erfüllung des Rundfunkprogramms nicht genügt. Es sind »jene getarnten bolschewistischen Elemente, die von einer zweiten Revolution sprechen in einem Zeitpunkt, in dem das Volk und die Nation sich eben anschicken«⁠ ⁠: die Ergebnisse der ersten für das nächste Jahrhundert auszubauen. Jetzt geht es um die Zukunft und da muß »die eine oder die andere gutgemeinte Theorie zu kurz kommen«, welche für die Vergangenheit in Geltung bleibt. Die Unterführer übernehmen sich.Nur sachte drauf⁠ ⁠! Allzugewohnt ans Naschen,Wo es auch sei, man sucht was zu erhaschen. Sie werden als »Bazillenträger« von den Führern gemieden, die sich vor der braunen Pest zu fürchten beginnen. Man versucht romantische Ablenkung⁠ ⁠:Es liebt sich jetzt ein jedes KindDen Harnisch und den Ritterkragen⁠ ⁠;Und, allegorisch wie die Lumpen sind,Sie werden nur um desto mehr behagen. Und wirklich dürfen sie, müssen sie vom zehnten Lebensjahre an zum Schulunterricht in Uniform erscheinen. »Alle meine Neunjährigen beneiden den Hans und den Heinz. Beide sind Sitzenbleiber⁠ ⁠; das gilt sonst wohl als ein Fleckchen«, sagte der Lehrer, »doch die Uniform gleicht es aus.«|| Der preußische Unterrichtsminister hat angeordnet, daß Schüler in höhere Klassen versetzt werden können die dadurch zurückgeblieben sind, daß sie sich mit ganzer Kraft der nationalsozialistischen Bewegung gewidmet haben. Der Unterrichtsminister, ein Mann von anerkannter verminderter Zurechnungsfähigkeit, hat ferner einen Erlaß herausgegeben, daß|| »künftig jeder einzelne Volksschüler mit der Landschaft verbunden sein muß«, was ihm zugute kommt, wenn Bomben zu vergraben sind. Dagegen hat er, da es oft genug vorgekommen sei, daß sie mit dem Browning ihre Lehrer zu Erklärungen gezwungen hätten, das Ersuchen ausgesprochen daß die nationalsozialistischen Schüler nicht mehr mit der Waffe in der Hand gegen ihre Lehrer vorgehen.Schon ist auch für Österreich das Problem der Jugenderziehung angeschnitten, in dem Sinne, daß Lehrer und Schüler nicht mehr wie einst durch eine Scheidewand getrennt sind, sondern kameradschaftlich an der Herstellung von Sprengkörpern arbeiten, und dort wo Koedukation ist, zeigen sich oft die Mädchen noch besser beschlagen. Wie einst Briefmarken und Mineralien, so tauscht man jetzt Zündkapseln und Ammonit. So wachsen jene Scharführer heran, die da planten, bei der Produktenbörse Benzin auszuschütten, bis einer »erklärte, daß er etwas besseres habe«, und er zeigte ihnen die Bombe, die er ihnen im Koffer mitgebracht hatte, und sie gefiel ihnen. Denn allegorisch wie die Lumpen sind, sind sie auch praktisch und wissen, was man fürs Leben braucht. Auch für Handarbeiten geschult von den Vorkämpfern Raufebold, Habebald und Haltefest. Der erste gibt die Anfangsgründe⁠ ⁠:Wenn einer mir ins Auge sieht,Werd’ ich ihm mit der Faust gleich in die Fresse fahren,Und eine Memme, wenn sie flieht,Faß ich bei ihren letzten Haaren. Der zweite will im Nehmen unverdrossen sein, der dritte meint, nehmen sei recht gut, doch besser sei behalten.Der tüchtige Fuß nimmt Teil an ihrem Glück,Setzt dem Erschlagnen frisch sich ins Genick. Ohne Ansehn der Partei⁠ ⁠; und auch die Kirche muß dran glauben⁠ ⁠:Dem Klerus hab’ ich eine Lust verdorben,Und ihre Gunst mir freilich nicht erworben. Dennoch kann Papen melden⁠ ⁠:Dort war’s in Rom. Er bleibt dir hoch verpflichtet,Auf deinen Gang in Sorge stets gerichtet. Aber Raufebold tritt vor und berichtet, was er bei Breslau geleistet⁠ ⁠:Wer das Gesicht mir zeigt, der kehrt’s nicht abAls mit zerschlagnen Unter- und Oberbacken⁠ ⁠;Wer mir den Rücken kehrt, gleich liegt ihm schlappHals, Kopf und Schopf hinschlotternd graß im Nacken. Immer näher. Freut uns noch »jeder, wie er schiebt und drängt«⁠ ⁠?Im Sieg voran⁠ ⁠! und alles ist erlaubt. Nach außen gekehrt⁠ ⁠! Mephistopheles hat für Bewaffnung derer gesorgt, die den Wink erwartend, zuzuschlagen, stehn. Woher das kommt, müssen die Wissenden nicht fragen. Es ist ein Luftgeschäft. »Sonst waren’s Ritter, König, Kaiser«, jetzt sind es Bombenflieger.Gar manch Gespenst hat sich darein geputzt,Das Mittelalter lebhaft aufgestutzt. Wenn vollends das Teufelchen Phosgen drinnen steckt, wird es für diesmal doch Effekt machen.Auch flattern Fahnenfetzen bei Standarten,Die frischer Lüftchen ungeduldig harrten.Bedenkt, hier ist ein altes Volk bereitUnd mischte gern sich auch zum neuen Streit. Romantik holt Chemie ein. Es ist die letzte Hoffnung, die innern Kräfte abzulenken. Aber schon sind »die kühnsten Klettrer konfus«,Nun ist Verwirrung überall. Alle Mahnungen vergeblich⁠ ⁠:Das passet nicht in unsern Kreis⁠ ⁠:Zugleich Soldat und Diebsgeschmeiß . . . . Dahin die Gelübde⁠ ⁠:Solang’ das treue Blut die vollen Adern regt,Sind wir der Körper, den dein Wille leicht bewegt. Noch will er ja, doch sie⁠ ⁠:Das ging so fort, nun sind wir daUnd wissen selbst nicht, wie’s geschah. »Innere Gährung, Volksgefahr«⁠ ⁠: wie sie, »unter sich entzweit«, das Reich verheertenUnd nun gesamt sich gegen mich empörten.Die Menge schwankt im ungewissen Geist,Dann strömt sie nach, wohin der Strom sie reißt. Dem Allgeführten schaudert vor solchem wilden Schwall⁠ ⁠; zuletzt, bei allen Teufelsfesten (wenn’s keine Parteien mehr gibt) wirkt der Parteihaß doch zum Besten, meint Mephistopheles⁠ ⁠; und freut sich, wie’s »wider-widerwärtig panisch schallt«. Er ja wußte⁠ ⁠:Am Ende hängen wir doch abVon Kreaturen, die wir machten. Jeder weiß es nun vom andern, und selbst im Oberhaupt dämmert’s⁠ ⁠:Die Sünd’ ist groß und schwer, womit ich mich beladen,Das leidige Zaubervolk bringt mich in harten Schaden. Denn beim Teufel⁠ ⁠:Es war so was vom Kreuz daran.