Doch an einem heuchlerischen Weltgewissen, das Deutschland grundsätzlich mißversteht und bei jeder Lappalie Lärm schlägt, ist Hopfen und Malz verloren. Wie man’s macht, ist’s nicht recht. Als eine Frau Jankowski unter der Behandlung durch SA-Männer zusammenbrach — was doch kein Wunder ist, wenn ein Dutzend Bewaffnete einer einzigen Frau gegenüberstehn —, da rührte sich die ‚Times‘ mit einem Artikel. Aber von der Aufklärung durch ein Mitglied des Reichspresseamtes : »Die Jankowski hat ihren Lohn empfangen. Sie können ruhig sagen, daß ich es erklärt habe !« nimmt sie nicht Notiz. Auch nicht davon, daß man, weil sie dauerndes Siechtum vom Schauplatz trug, gegen sie die Untersuchung wegen Greuelpropaganda eingeleitet hat . Wann war es jemals bei einer Revolution der Fall, daß man sich zu jeder unvermeidlichen Begleiterscheinung um Aufklärung bemüht hat ? Und welche Regierung hätte so offen und beharrlich gegen Einzelaktionen Stellung genommen , welche sie wie den Bissen Brot braucht, den sie den Einzelakteuren nicht bieten kann ? Die Verkennung der Schwierigkeiten ist um so befremdender, als sich doch im Kleinen wie im Großen die Tendenz zum Einlenken bemerkbar macht, ja selbst ein leichter philosemitischer Anhauch, und ohne die Besorgnis, daß hier Großmut für Schwäche gehalten werden könnte . Außen und innen geschieht genug, um den Eindruck zu erwecken, daß Berserker mit sich reden lassen, man gewahrt von Versailles abwärts die Bereitschaft zu Konzessionen, und wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet, gibt es zuletzt doch die Möglichkeit, daß das Menschenleben durch einen Hundertmarkschein gerettet wird , während man anderseits doch mit der größten Energie Eingriffen ins Wirtschaftsleben entgegentritt . Der wenngleich erfolglose Versuch, sich’s mit den Antwerpener Diamantenhändlern zu richten , ist ebensowenig unbemerkt geblieben wie das gelungene Arrangement mit den Leipziger Pelzjuden . Besuchern der Messe aber wird eine Vergünstigung in Aussicht gestellt, sie können sich davon überzeugen wie das ganze deutsche Volk nur das eine hohe Ziel kennt und erstrebt : in Frieden und in Freundschaft mit allen Nationen zu leben . . . . Juden ’rein ? Doch nicht nur ausländische, nein auch inländische sind willkommen. Wohl kann es passieren, daß das Landgericht Berlin einen jüdischen Kaufmann , der vor den Augen der Polizei ausgeplündert wurde, mit der Begründung abweist, er habe es sich selbst zuzuschreiben, denn er mußte sich darüber klar sein, daß sein Betrieb zufolge seiner Abstammung »eine außerordentliche Provokation der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes« vorstelle, also von vornherein mit der Möglichkeit der Zerstörung rechnen, eine Gefahr, die eben in das Unternehmerrisiko einzukalkulieren sei . Ja, es ist sogar möglich, daß derselbe Mann vom Sondergericht eingesperrt wird, wenn er behaupten wollte, »den Juden in Deutschland gehe es nicht gut«, denn es wäre eine Meldung über angebliche Greuel . Aber daß er auf der Braunen Messe willkommen geheißen wird, ist doch auch möglich. Es wird zwar von den Ausstellern der Nachweis verlangt, daß es sich um deutsche Firmen handelt. Aber damit sollen zweifellos auch sogenannte »nichtarische Firmen« als Aussteller angeschlossen sein. Einkäufern aber solle ohne Rücksicht auf Nationalität und Rasse Gelegenheit gegeben werden, sich von der Leistungsfähigkeit und den bodenständigen Eigenarten der deutschen Industrie durch eigene Anschauung ein Bild zu machen. Uschla. Die einzige Schwierigkeit besteht, namentlich für die ausländischen Juden, die noch nichts davon wissen, in dem Badeverbot, das inzwischen erlassen wurde (und zwar mit der Begründung, daß aus dem Wasser zeitweise Knoblauchgeruch ausströmt) . Aber erstens kann man es als Lüge darstellen und zweitens läßt sich in besonders berücksichtigenswerten Fällen eine Ausnahme machen. Der Plan, auf den Reichsbahnen Judenwaggons einzuführen , wurde ventiliert, aber zurückgestellt. Auch sonst hat das Wirtschaftsleben gewisse Opfer im Ideellen erfordert. So haben die leitenden Stellen die untergeordneten Organe, die im Staatsleben so häufig Verwirrung anrichten und besonders bei einer Revolution in überschwänglicher Verkennung des Unterschieds zwischen Mein und Dein wie leider auch Arm und Reich, alle Juden über einen Leisten schlagen, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich nur darum handeln könne, jüdische Angestellte um ihre Posten zu bringen. Die Beschaffungsstellen sollen »sich jeder Schnüffelei enthalten«. »Weitläufige Untersuchungen nach der Ariereigenschaft«, die »namentlich bei Aktiengesellschaften fast undurchführbar« sind, müssen unter allen Umständen vermieden werden ; »ausschlaggebend ist, ob deutsches Personal beschäftigt wird«. Man kann nicht immer feststellen, ob »das Kapital einer Unternehmung deutsch sei oder nicht«, und man soll gar nicht feststellen, »in welchem Umfang nichtarische Persönlichkeiten vorhanden sind, da dieser ganze Fragenkomplex nicht so einfach ist« und »durch unbedachte Maßnahmen manchmal eine Störung des gesamten Wirtschaftslebens erfolgt« . Ferner ist für die Adolf Hitler -Spende, deren Freiwilligkeit in umfassender Weise durchgeführt wird, eine großzügige »Beteiligung insbesondere auch jüdischer Unternehmungen grundsätzlich vorgesehen« (denen »hieraus Vorwürfe und Nachteile nicht erwachsen sollen«), widrigenfalls diese Firmen den Ausweis nicht erhalten könnten und »demzufolge vor weiteren Einzelsammlungen nicht geschützt« wären , welche oft nicht unbedenklich verlaufen. Wie man sieht, leben die Juden unbehelligt, solange man nicht ihren Geschäften nachgeht, und das Bewußtsein, als gleichberechtigt in ein System der Erpressung einbezogen zu sein, das die ganze Nation umspannt, bietet doch eine gewisse Genugtuung. Alles vollzieht sich in den Riesenmaßen des Brillantfeuerwerkes, das von der irdischen Krise den Blick zum Firmament zieht : Piraten lenken pyrotechnisch ab, das Volk ohne Unterschied der Rasse schaut zu und sieht, was ihm für sein Geld geboten wird. Die Kurierung des Wirtschaftslebens aus dem Punkt der Rasse hat gewisse Reibungen hervorgerufen, aber erstaunlich ist auch wieder, wie einfache Auswege sich finden lassen. Ein optisches Wunder hat sich bei der Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft begeben, wo es gelungen ist, Juden unsichtbar zu machen und doch zu behalten. Dieser Gesellschaft hätte wohl kaum der Umstand geholfen, daß sie von Rathenau gegründet wurde ; in Berücksichtigung dessen jedoch, daß fünfzig Prozent der Produktion sich auf Länder erstrecken, die dem Judenboykott abhold sind, ließ sich, mit Hochachtung vor den gegenseitigen Lebensrechten und unter völkerverbindender Sicherung der Volkstümer , eine Verständigungsformel finden, die faktisch als recht verstandene Weltbürgerlichkeit anmutet, eine Lösung, die geradezu eine Plattform ist. Sie wird im Rechenschaftsbericht der Gesellschaft ausdrücklich als solche bezeichnet und wie folgt hingelegt : . . Man glaube nun eine Lösung gefunden zu haben, die den inländischen Interessen Rechnung trägt, ohne das Ausland vor den Kopf zu stoßen. Diese Lösung bestehe darin, daß der wesentliche Teil der jüdischen Herren im Betrieb verbleibt, aber aus dem Verkehr mit dem inländischen Publikum zurückgezogen wird. Auf Grund dieser Absprachen habe die NSDAP die A. E. G. nunmehr als nichtjüdische und nicht überfremdete Firma anerkannt. Sie werde nicht anders behandelt als andere deutsche Unternehmungen. So etwas von Uschla, zwischen idealer Forderung und Realität, war noch nicht da. Ei des Kolumbus , faul aber nahrhaft. Das Ausland, das dem Vorurteil huldigt, an dem Moment der Rasse uninteressiert zu sein, soll seine Juden, zum wesentlichen Teil, behalten, für das Inland bleiben sie getarnt. Nun, es ist keine hundertprozentige »Meisterung der Verhältnisse«, keine Anpassung der Verhältnisse an das Programm , doch ein Ausgleich zu 50, den da die NSDAP. mit der AEG., aus Zweckmäßigkeitsgründen, getroffen hat, und er bedeutet in seiner Einfachheit zugleich die Lösung der Judenfrage. Es ist nicht Schuld der NSDAP., die mit so glücklicher Hand Schwierigkeiten untersucht und schlichtet, wenn daraus neue entstehen und eben das, was so eindeutig am Tage liegt, die Mißdeutung vermehrt. Denn in allen Gestionen, des Angriffs wie des Entgegenkommens, will doch die übelwollende Welt eine Denkart verkennen, die bis zur letzten Konsequenz ohne Ahnung ihrer selbst und ihrer Wirkung bleibt und mit totaler Naivität Handlungen setzt, die man sonst erst als Karikatur erfinden müßte, um sie ad absurdum zu führen, also dorthin, wo sie sind. Es ist ein Spaß, wie wenn Feen »ein Kind der Mittelwelt« wittern und den ertappten Falstaff nach Hause spotten . Deutschland spricht eine andere Sprache als die, in der man lacht, und hört es darum nicht. Oder hält solche Wirkung für das Mißverständnis der andern, die aber durchaus informiert sind und als der verstehende Partner einen Schritt zur Verständigung tun sollten.