Möglicherweise erklärt ja eben diese Erscheinung auch die Geistigkeit, die zwischen Tat und Verantwortung den arteigenen Wahrheitsbegriff gestellt hat, der für jegliche Schuldfrage, von der des Weltkriegs bis zum alltäglichen Raufhandel, über jene entwickelte Technik der Abwälzung, der femininen Umkehrung disponiert. Die Schwierigkeit, etwa bei »Studentenüberfällen « zwischen dem tätigen und dem leidenden Teil zu unterscheiden, erleichtert schon durch die Wortkonstruktion die Klarstellung, daß Nationalsozialisten von Juden geprügelt wurden, was ja insofern nicht ganz unglaubhaft ist, als es in der Judengasse tatsächlich einmal der Fall war . Daß jüdische Studenten im Anatomischen Institut lernwillige Hakenkreuzler mit Totenschädeln beworfen haben , mag etwas übertrieben klingen, aber man erfährt jedenfalls, wessen sich eine friedfertige Mehrheit in der Verteidigung zu versehen hat und welche Wurfgeschosse es sind, denen sie die Bomben vorzieht. Der Nationalsozialismus hat überhaupt keine andere Waffe als den umgekehrten Spieß, mit dem der Bürger die Ordnung verteidigt. Der Titel »Heimwehrüberfall « ermöglicht es geradezu, die frivole Behauptung, Heimwehrleute seien überfallen worden — eine Aussage, die auf den bloßen Anschein von Knochenbrüchen hin erfolgte — , eine Lüge zu nennen, denn überfallen wird stets der Täter und mindestens wäre er schon darum das Opfer, weil ihn der andere zu einer Gewalttat genötigt hat. Immer nach Nestroy : »Mama, ich komme die Constanze zu verklagen, sie hat mich durch ihr Benehmen gezwungen, sie eine dumme Gans zu heißen. « Die Unbefangenheit, die sich hier zum Bekessy -Gedanken einer verkehrten Kausalität bekennt, stellt voll und ganz den Begriff der deutschen Ehrlichkeit wieder her, wenngleich vom andern Ende. Wie tief muß eine Sittlichkeit fundiert sein, die »für die besten und zugkräftigsten Falschmeldungen eine Prämie von 200 Schilling« ausgesetzt hatte , mochte es die Verbreitung einer Wirtschaftspanik gelten, ein Falsifikat oder auch nur eine jener Greuelmeldungen, mit denen die Gegenseite ihre berüchtigte Propaganda verrichtet. So eine österreichische Führerschule, in der die fröhliche Wissenschaft getrieben wurde, zaubert sie nicht das Bild jener bessern Tage vor den Sinn, die die Redaktion unserer ‚Stunde‘ gesehen hat ? Freilich mit dem Unterschied, daß die Büberei in den Dienst einer heroischeren Erpressung gestellt erscheint. Es ist respektgebietend, wie eine Welt von Felonie, Meuchlertücke und autorisiertem Denunziantentum sich mit jeglichem Habitus unanfechtbarer Wahrhaftigkeit, mit allen Insignien einer sittlichen Glorie umgibt und, letzten Endes , die totale Deckung findet in jenem ehrwürdigen Symbol der Treue, mit dem verglichen Schober ein Sinnbild des Wankelmutes war, indem er uns ja längst dahin geführt hätte. (Erschien doch jüngst in diesem Weltspuk, der einem kein Phantom vorenthält, sein Schatten zwischen der Steffi Richter und dem Lord Rothermere , der ihr den Korridor zu Füßen legen wollte. Jener fürwahr hätte die Treue, die er der Demokratie gelobt hatte, eisern dem Nationalsozialismus gehalten. ) Welch ein Menschliches muß zur Abklärung gelangen, bevor die Persönlichkeit zur Briefmarke reift ! Daß eine schwarze Messe zur Andacht ruft, ist das Unikum der Kulturgeschichte, gestützt von der Unerschütterlichkeit eines Glaubens, dessen Hohepriester einander vor der Gemeinde des Verrats bezichtigen, um sich in gegenseitiger Ehrerbietung so auszugleichen, daß die allgemeine komplett wird. Reichspräsident v. Hindenburg hat den Dipl.-Ing. Gottfried Feder zum Staatssekretär des Reichswirtschaftsministeriums ernannt. — — Feder ist ein Feind Hindenburgs . Bei der Präsidentschaftswahlkampagne erregte er durch eine in Kassel am 12. März, dem Tage vor dem ersten Wahlgang, gehaltene Rede Aufsehen, indem er Hindenburg sechs Treubrüche vorwarf : bei der Entlassung Ludendorffs , bei der Flucht Wilhelm II. nach Holland, beim Munitionsarbeiterstreik, durch die Absage eines Besuches bei Ludendorff am Tannenberg-Tag 1925, durch die Unterzeichnung des Republikschutzgesetzes und die Verweisung des Exkaisers und schließlich dadurch, daß er 1925 bis 1932 sein Amt nicht im Sinne seiner Wähler ausgeübt hatte (was übrigens auch für die Zeit nach der zweiten Wahl gilt). Feder schloß damals, man könne nie alt genug sein, um die Treue zu halten. Ich zähle sieben. Aber zusammen sind sie wieder die Treue : Der Reichspräsident Hindenburg und der Reichskanzler Adolf Hitler haben durch ihr in Neudeck besiegeltes Vertrauensverhältnis dem ganzen deutschen Volke ein leuchtendes Beispiel der Einigkeit gegeben, das alle Deutschen verpflichtet, ihnen nachzueifern im Dienste am neuen Staat und in der Treue zu denen, die zu seiner Führung berufen sind. Nach einer detaillierteren Darstellung : . . Schließlich wurde der Empfang von Hindenburg in brüsker Weise plötzlich abgebrochen. Kaum hatte sich aber Hitler aus dem Arbeitszimmer des Reichspräsidenten entfernt, als dieser offenbar unter dem Eindruck der Aufregungen dieser Audienz ohnmächtig zusammenbrach. Es trat ein ärztliches Konsilium zusammen, und dieses beschloß, Hindenburg den dringenden Rat zu erteilen, sich sofort auf sein Schloß nach Neudeck zurückzuziehen. Nach sicheren Informationen ist dieser Ratschlag auf den ausdrücklichen Wunsch Hitlers den Ärzten anbefohlen worden. Seither ist Hindenburg in Neudeck der Gefangene der Hitler -Regierung. Wie sagt doch — ?Mit diesen hast du dich vereinigt,Mich hat’s die ganze Zeit gepeinigt.Das Gaukeln schafft kein festes Glück. Was die Treue anlangt, so war noch vor kurzem die Version verbreitet : Der Reichspräsident v. Hindenburg , der den Satz prägte : »Die Treue ist das Mark der Ehre«, hat noch niemandem die Treue gehalten. Ein Mann ein Wort ; aber nur kein Fremdwort mehr, sie wollen es nicht lassen stan : . . Träger der Staatsgewalt, beziehungsweise der Reichsgewalt ist der Führer , der wahrscheinlich Reichsführer heißen wird. Das fremdsprachige Wort Reichspräsident wird später verschwinden. Die Reichspresse- und Propagandastelle des Reichseinheitsverbandes des deutschen Gastgewerbes veröffentlicht am gleichen Tag eine Mahnung, die sich gegen die Verwendung von Fremdwörtern auf den Speisekarten wendet . Das Wort ist neu, die Speise bleibt, der Mann ist schon verschwunden. Ein Fremdwort geworden. Wie unbegründet aber das Gerücht ist, die Unterhaltung mit dem Reichskanzler habe eine ungünstige Wirkung auf den Reichspräsidenten ausgeübt, beweist die Lesart der ‚Norddeutschen Allgemeinen‘, die noch heute den Ruf eines Sprachrohrs bewährt, »Äußerungen Hindenburgs über Hitler «, welche ihr von einer Leserin übermittelt wurden, die in Deutschland gewiß nicht Blaschke heißt : »Die Zusammenarbeit mit dem neuen Reichskanzler ist mir täglich von neuem eine Freude. Das Verhältnis zwischen mir und Hitler ist so schön, wie es zwischen einem Großvater und einem Enkel nicht schöner sein kann. Rührend ist die Fürsorge, mit der er mich alten Mann umgibt. Immer ist er bemüht, mir irgendwie behilflich zu sein, beim Setzen, beim Aufstehen, wo es nur sei. Ich staune immer wieder über die umfassende allgemeine Bildung, die er sich angeeignet hat. Er ist ein Mann, der mit großen Geistesgaben ausgestattet ist. Daneben ist er ein tief religiöser Mann und mit viel Herzensgüte, der in schlichter Bescheidenheit immer der Mann aus dem Volk bleiben wird.« Wie sagt doch — ?Mir schaudert vor dem garstigen KundenUnd seiner Rabentraulichkeit. Nein, nichts mehr ist erstaunlich ; höchstens daß Übermenschen selbst noch das Maß von Gut und Böse verwenden. » Was haben wir zu fürchten, wer es weiß ? Niemand zieht unsre Macht zur Rechenschaft. Doch wer hätte gedacht, daß der alte Mann noch so viel Blut in sich hätte ? « »Diese Taten wollen nicht so ergrübelt sein, sonst macht’s uns toll «, sagt Macbeths Spornerin ; damals nahm man’s, wenn es durchzustehen galt, nicht so genau. Auch unterm spätrömischen Imperium nicht, wo brandgestiftet und auf die Christen abgewälzt wurde ; wo Symbolgläubigkeit noch der Ernennung eines Pferdes zum Konsul standhielt ; wo das letzte Ende ein Abtritt war, in dem der Herrscher im Frauengewand von Prätorianern ermordet wird.