Es ist aber offenbar eine der wenigen Propaganda-Nachrichten, die nicht stimmen, weil ein derartiger Grad von Assimilation an den bajuvarischen Menschenschlag nicht denkbar ist, weder im Aussehen noch in einer Sprechart, deren Gedrungenheit noch Spuren eines entschlossenen Kampfes mit dem Dialekt verrät⁠ ⁠: Die Vorßehung hat mich außerßehn . . . Vor dem Lautsprecher und der Berliner Illustrierten könnte wohl niemand an einer Bodenständigkeit zweifeln, die deren stärkster Bekenner, Goebbels, hundertprozentig nennt, während es eine üble Gewohnheit der Juden ist, alles für sich zu reklamieren und noch als äußerste Herabsetzung die Zugehörigkeit zu ihrer Gemeinschaft zu behaupten. Was soll die genealogische Schnüffelei, sie wird an einer Schlichtheit zuschanden, die, wie etwas, was »mit ungeheurem Streben aus dem Abgrund heraufdrang«, fast autochthonisch anmutet und jedenfalls autodiktatisch bis zum Autobiographischen gelangt ist, ja bis zu Versuchen, die Welt anzuschauen, die es erobern will. Wie weit entfernt von einem jüdischen Gehirnpartikelchen solches Denken waltet, zeigt sich dem Blick in ein Lebensbuch, wenn er etwa die Maxime ergreift⁠ ⁠:Grundsätzlich ist der Wert jeder Arbeit ein doppelter⁠ ⁠: ein rein materieller und ein ideeller. Der materielle Wert beruht in der Bedeutung, und zwar der materiellen Bedeutung, einer Arbeit für das Leben der Gesamtheit. Je mehr Volksgenossen aus einer bestimmten vollbrachten Leistung Nutzen ziehen, umso größer ist der materielle Wert einzuschätzen. Die Einschätzung findet ihrerseits den plastischen Ausdruck im materiellen Lohn, welchen der einzelne für seine Arbeit erhält. Diesem rein materiellen Wert steht nun gegenüber der ideelle. Er beruht nicht auf der Bedeutung der geleisteten Arbeit materiell gemessen, sondern auf ihrer Notwendigkeit an sich. So sicher der materielle Nutzen einer Erfindung größer sein kann als der eines alltäglichen Handlangerdienstes, so sicher ist die Gesamtheit doch auf diesen kleinsten Dienst genau so angewiesen wie auf jenen größten. Nein, das entsprang keines Abraham Schoß; und wird in keinen kommen, sondern vergebens rufen, daß seine Zunge gekühlt werde⁠ ⁠; denn über das Alles ist zwischen uns und euch eine große Kluft befestiget, daß ihr nicht könnt von dannen zu uns herüber. Gleichwohl, wenn dem Einfachen die mystische Wirkung verliehen ist, die dem Komplizierten versagt wurde, hier wird ihr Übermaß erklärlich.|| Bezwingend ist das redliche Bemühen, in eigenen Gedankengängen zum Gemeinplatz zu gelangen. Und wie zeigte wieder die große prinzipielle Auseinandersetzung über Kunst und Kultur, die seit dem Tag von Nürnberg als grundlegend anerkannt wird, dieses Schürfen nach Erkenntnissen, das zugleich ein Ringen nach Formulierungen ist, wie sie der Ausdrucksweise der Gebildeten zukommen. Bezeichnend für diesen ehrlichen Drang ist vor allem die »Synthese«, deren Notwendigkeit der Führer so häufig betont, aber auch die »Gegebenheit der rassischen Substanzen« wie deren »bewußtes Herausstellen«, ferner Fremdwörter und Termini wie »organisch«, »Konglomerat«, die »Neuorientierung«, zu der eine Weltanschauung zwangsläufig führt, der dominierende Einfluß eines bestimmten Rassenkerns, rassische Bedingtheiten, eine Mischung, die das Gesamtbild des Lebensausdrucks gestaltet, die zeitmäßige Distanz wie die rassisch-weltanschaulich fundierte Tendenz einer Zeit, die auch die Tendenz und Psyche der Kunst bestimmen wird, die Auswirkung des schöpferischen Geistes und letzten Endes die Fleischwerdung der höchsten Werte eines Volkes. Wenn es nicht von Goebbels aufgesetzt ist, so berührt es durch Unmittelbarkeit. Kein Wunder, daß das eigene Blatt sich nicht entziehen konnte⁠ ⁠: Daß er als Denker von eigentümlicher Schärfe und Klarheit zu den großen deutschen Staatsphilosophen gehört, wußten nur wenige. Seine beiden großen Nürnberger Reden brachten in dieser Hinsicht auch den Gebildeten eine gewaltige Überraschung. Nanu⁠ ⁠! sagten sie, als er von den ewigen Auslesegesetzen sprach und eine Synthese von Tradition aus Neuem verlangte, und wer hätte ihm die vielen Fremdwörter zugetraut. Alles ganz aus sich selbst. Mit dieser Rede ist auch gedanklich ein neues Blatt der deutschen Geistesgeschichte aufgeschlagen.|| Ich muß gestehen, daß ich mich dem Einfluß, den »Mein Kampf« geübt hat, vorweg entzogen habe, da ich mehr mit dem meinigen beschäftigt bin, für welchen ein gelegentlicher Blick, wie da und dort ein Zitat, durchaus genügte. Es hat auch ausgereicht, zu erfahren, daß der Führer mit so mancher Erkenntnis als Prophet dasteht. Zum Beispiel mit einer, die, im Gegensatz zu der Erkenntnis von der Notwendigkeit, das Volk zu beschwindeln, noch in späteren Auflagen zu finden ist⁠ ⁠: Je mehr die Bewegung zu vergeben hat an leicht zu erringenden Posten und Stellen, um so größer wird der Zulauf an Minderwertigen sein, bis endlich diese politischen Gelegenheitsarbeiter eine erfolgreiche Partei in solcher Zahl überwuchern, daß der redliche Kämpfer von einst die alte Bewegung gar nicht mehr wiedererkennt und die neu Hinzugekommenen ihn selber als lästigen »Unberufenen« entschieden ablehnen. Damit aber ist die »Mission« einer solchen Bewegung erledigt. Wenn außer den von den Minderwertigen Gemordeten und Beraubten noch ein Teilhaber solcher Bewegung Erbarmen verdient, so ist es der händeringende Führer, der sie gerufen hat und nicht loswerden kann. Mancher Leitsatz hat seine Bestätigung gefunden, mancher wurde von der Entwicklung überholt⁠ ⁠; weshalb Goering, ohne den sie glatter verliefe, in einem Erlaß darauf besteht, daß den Beamten »das wesentliche Gedankengut der Bewegung nicht mehr fremd bleibe«, und eine Zwangsauflage von »Mein Kampf« anordnet, damit jene »die wichtigsten Seiten des nationalsozialistischen Schrifttums« kennen lernen, nämlich die, die nicht mehr gelten. Das ist eben wieder sein Kampf, denn wenn er selbst eine Vierzigzimmer-Villa hat, tiptop auf Torquemada eingerichtet, so will er doch auch für die altbewährte SA. etwas tun. So bringt jeder Tag Abwechslung, die Parolen kreuzen sich, aber man sieht immerhin, wie stürmisch sich die Evolution durchzusetzen beginnt, die als »sicheres Bett« empfohlen wurde. Daß die Kommissare verschwinden müssen, weil ihre »dauernden Eingriffe in die Wirtschaft unerträglich geworden« sind, klingt bereits wie eine Forderung, die gegenüber einem verflossenen Regime erhoben wird. Solange die Regelung des Wirtschaftslebens nur durch die Verleihung des Schildes »Deutsches Geschäft« an arische Firmen gegen Jahresgebühr erfolgte, ging es hundertprozentig in Ordnung⁠ ⁠: »eine aufgehende, strahlende Sonne mit Hakenkreuz, davor als Hüter ein sitzender Adler«, Wirtschaftsadler genannt — da war man gewappnet gegen die Gefahr, daß der Jude schnellerundmehr Jeld verdiene. Aber wiewohl er noch draufzahlen mußte, macht man doch die Erfahrung, daß der Wirtschaftsadler nicht vor dem Pleitegeier schützt. Da werden denn immer neue Richtlinien erforderlich, die zwar nicht sagen, was man soll, aber doch, was man nicht darf. Auch stellt zur rechten Zeit sich der »Primat« ein, welcher, sei es der der Wirtschaft vor der Politik oder umgekehrt, auch als Neutrum gebraucht werden kann, nebst der Einsicht, daß wir »Raumpolitik statt Wirtschaftsillusion« brauchen und daß man »solchen Schwärmern«, denen, »die jetzt noch reden«, die fünfundzwanzig effektuieren soll, die sie für Programmpunkte halten. Aber selbst das hilft nichts. Wenn die Rechte nicht weiß, was die Linke tut, so verwickelt es sich zusehends, wenn beide nicht wissen, was zu tun, und Versprechungen an Schwerindustrielle durchkreuzt werden von einer Weigerung, sie zu empfangen, während »der Arbeiter, der ein vollwertiger Herrenmensch geworden ist«, zu kuschen hat. Das Phänomen der Gleichzeitigkeit ermöglicht es, daß freiwerdende Arbeitsstellen »nicht nach der Parteizugehörigkeit besetzt werden dürfen«, sondern ausschließlich nach der Zugehörigkeit zur Partei. Schon wird der Kampf gegen den Kapitalismus angekündigt, um den Bolschewismus mit Erfolg bekämpfen zu können, was dann dahin ausgeglichen wird, daß man den Sozialismus aufgibt zugunsten des Plans, ein Denkmal der deutschen Arbeit zu errichten, an dem vier Frauengestalten, nämlich Treue, Gerechtigkeit, Liebe und Wahrheit die Tugenden des deutschen Volkes darstellen sollen⁠ ⁠; während für Grabsteine von Führern die Inschrift in Aussicht genommen ist⁠ ⁠: Sie sind oft rauh gewesen, sie sind hart gewesen, sie waren rücksichtslos, aber sie sind gute Deutsche gewesen.