Wenn ich mich nun frage, wie ich das so begreifliche, von mir noch nachgefühlte Widerstreben überwinden konnte, in das weiträumige Abenteuer einer Walpurgisnacht einzutreten, aus der, nach Bewältigung der andern Parole, Deutschland erwachen wird⁠ ⁠; zu deren Rätseln sein größtes Gedicht vielfachen Aufschluß gewährte⁠ ⁠; deren Fülle der Gesichte mir seine besten Seher herbeirief und Diebold und Benn dazu⁠ ⁠; deren Grausen noch Shakespeares blutigste Vision einschließt⁠ ⁠:Die Gegenwart verführt ins Übertriebne,Ich halte mich vor allem ans Geschriebnewenn ich mich frage, wie ich eine Materie durchstehen konnte, die in Anlaß und Hindernis das Weltkriegsgetümmel aufwiegt⁠ ⁠; von Lesern ermuntert und aufgehalten, die mit guter Meinung und schlechter Sicht im Gebirgssturz »Stellungnahme« verlangen (und nicht einmal bedenkend, daß die Antwort auf die Frage, warum sie nicht erscheint, sie verzögert)wenn ich mich solches frage, so ist es zugleich die Frage nach der moralischen Berechtigung, über ein Elementarereignis abzusprechen, mit dessen Walten sich der Presse meine Tendenz gegen sie verbindet. Die moralische Berechtigung würde sich nicht bloß aus dem Umstand ergeben, daß mein Wunsch, diese Verbindung abzulehnen, brennender ist als der, den mir der Sieg des Nationalsozialismus erfüllt hat. Die Vorstellung, daß ich seinen Sieg als den eigenen empfinden könnte, ist so erbärmlich wie das geistige Wesen, dem sie entstammt und dessen Perhorreszierung mich nicht hindert, mit ihm den vermeintlichen Helfer zu verabscheuen. Nur daß ich es mit größerer Verantwortung besorge und vermöge einer Erkenntnis, die mit besserm Recht den Zusammenhang zwischen ihm und jenem Wesen bejaht. Denn der Nationalsozialismus hat die Presse nicht vernichtet, sondern die Presse hat den Nationalsozialismus erschaffen. Scheinbar nur als Reaktion, in Wahrheit auch als Fortsetzung. Jenseits aller Frage, mit welchem Humbug sie die Masse nähren — sie sind Journalisten. Sie sind Leitartikler, die mit Blut schreiben. Ja, Feuilletonisten der Tat. Sie haben die Höhle bezogen, als die das gedruckte Wort der Altvordern die Phantasie der Menschheit hinterlassen hat, und daß sie des Zierats entbehren oder ihn nicht nachstümpern können, ist ihr kultureller Vorsprung. Die Tat hat sich einmal der Phrase entwunden und daß diese ihr weiter aufgestülpt bleibt, hat nichts mehr zu bedeuten. Nimmt man aber die »Gleichschaltung« der Presse als politischen Eingriff, so bedeutet sie nur ihre eigene letzte Möglichkeit, die letzte Stufe, über die sie vermöge ihrer Konstitution nicht gelangen kann, welche von Natur die Prostitution ist. Die angebliche Entehrung der deutschen Presse mag das Problem einer Journalistik sein, deren Meinung auf freiem Fuß lebt, solange politische Gewalt nicht eingreift und annoncierende Schönheitspflegerinnen keinen Terror üben. Wenn Kommissare in Redaktionen eindringen und »den Revolver auf den Schreibtisch legen«, so ist dies kriminalistisch insofern erheblich, als in manchen Fällen dort jetzt zwei liegen. Aber nur auf dem journalistischen Flachland kann die Anschauung gedeihen, daß durch dessen Verwüstung die »Kultur« einen Verlust erleidet. Das existenzielle Moment, in jedem Einzelfall beklagenswert, ist nach der Gemeinnützigkeit des verlornen Berufs zu bewerten, und abgesehen davon, daß schon die Tyrannei der Not Erwerbslose gemacht hat, dürfte das Schicksal verjagter Ärzte im Vergleich zu dem der postenlosen Redakteure auch außerkollegiale Teilnahme ansprechen. Aber noch journalistischer ist die Idee, daß die Okkupation des Druckbilds durch den Sieger meiner Abneigung gegen den Besiegten zusagen könnte⁠ ⁠; daß dieses durch Greuel errungene Scheuel mir eine positive Empfindung weckt und mir ein Wunschtraum erfüllt wird, wenn der Geist der Schöpfung nun nicht mehr von der Intelligenz bedrängt wird, sondern von der Dummheit, die, unvermögend wie jene ihr Prinzip rein zu erhalten, ihr nachkommen wird. Als ob die Einsicht in die Verderblichkeit dessen, was täglich erscheint und was in jeder Art und Richtung der Sonne entgegenstrebt, nicht im tiefsten Grund erst ihre Bestätigung erfahren hätte — bis dahin, wo ihr die scheinbaren Gegensätze dieser Meinungswelt ineinanderfließen. Als ob es der Welt positiv etwas zu bedeuten hätte, wie die politischen Faktoren sie anschauen, und ihre Meinungsverschiedenheiten aus einem geistigen Grunde wesentlich wären und nicht bloß darum, weil zwischen ihnen eine Menschheit leidet. Wäre Herr Goebbels rechtzeitig beim Berliner Tageblatt angekommen, dem er nicht nur kosmisch zugestrebt hat, so wäre ihr mehr als dessen Gleichschaltung erspart geblieben. In meinem Werk ist sie zwischen den Gegenwelten vollzogen, weshalb ich, beiden verhaßt, von beiden reklamiert werden kann, mir zu völlig gleichwertigem Verdruß. Aus den Tagen der holen sich die Nachkommen der Wahnschaffe und Schwarz-Gelber was sie für ihre Zwecke brauchen, die in keinem Fall die meinen sind. Wahnschaffes sind augenblicklich und unmittelbar bedrohlicher, aber wenn ich vor ihnen und ihren Scheiterhaufen geborgen wäre, weil die abträgliche Meinung wegen deutscher Sprache unverständlich bliebe, so besteht doch die Möglichkeit, daß Schwarz-Gelbers für Aufklärung sorgen würden. (Und ich hätte doch noch so viel gegen beide zu tun.) »In sprachzerfallnen Zeiten« (die der Tat zuneigen) »im sichern Satzbau wohnen« — was nützt es, wenn jene hineingeschlieft sind⁠ ⁠? Meine Stellung zu den Parteien ist insofern schwankend, als mir Marksteine nicht zur Orientierung dienen und ich der Freiheit nicht über die Gasse traue. Daraus erklärt sich auch, daß es mir gelungen ist, sie in einem Mißtrauen gegen mich zu einigen, mit dem gelegentliche Päane so stark kontrastieren wie zueinander. Vergleicht man diese, so möchte man glauben, daß ich mit den Vertretern sämtlicher politischen Überzeugungen die Schweine gehütet habe, während ich konsequent doch nur mir selbst diesen Schutz vor Hirten und Herden angedeihen ließ. Man würde irren, wenn man annähme, daß der Nationalsozialismus, den mit der »Journaille« versorgt zu haben sie beklagt, seine Verankerung in meinem Grunde verschmäht hätte. Ja, er hat ihn geradezu als seinen Boden reklamiert, in der Annahme, daß meine Verteidigung der Menschheit, die Parteinahme für Natur und Geist gegen die Zerstörermächte unbeherrschter Technik und mißratener Intelligenz, einem Ariogermanentum, dessen Lebensinteressen mir unbekannt sind, nicht diene, sondern ausschließlich gilt. Meine moralische Kompetenz seinen Ausbruch abzulesen, erscheint demnach von dem philosophischen Gründer der Bewegung anerkannt, jenem Dr. J. Lanz v. Liebenfels, der in einer Zeitschrift Ostara die Züchtung des Rassemenschen angebahnt hat. An einer Rundfrage des Brenner, anläßlich einer geringfügigen Schmähung meines Wirkens, die seither weit übertroffen wurde, war er mit einer Antwort beteiligt, deren Reproduktion nach genau zwanzig Jahren nicht so meine Eitelkeit als meine Vorliebe für Kontraste befriedigen soll⁠ ⁠:|| Karl Kraus’ Bedeutung ist eine allgemeine. Wer in ihm nur den phänomenalen Sprachkünstler, den ätzend scharfen Satiriker und den geistvollen Kritiker sieht, wird diesem Genius nicht gerecht. All diese Vorzüge und Eigenschaften sind bei Kraus nur Waffen und Werkzeuge seines Wesens. Sein Wesen aber ist sein großes, tief menschlich fühlendes, jedes fremde Unrecht als einen persönlichen, körperlichen Schmerz empfindendes Herz und seine unbestechliche Rechtlichkeit. In Kraus vereinigt sich ein genialer Intellekt mit einem warmfühlenden Herzen. Er ist der Mann und Märtyrer der publizistischen Überzeugungstreue. Diesem Manne verdanken wir es — ich kann mich hierin als völlig objektiver Beurteiler ausgeben, weil mein Wirkungskreis ein wissenschaftlich-religiöser ist und ich in jeder Hinsicht unabhängig bin —⁠ ⁠: daß die bisher nur auf dem Papier stehende Preßfreiheit, die im Grunde nur eine Banditenfreiheit für literarische Freibeuter, finanzielle und politische Volksbetrüger war, zur Tat geworden ist. Er hat dem die ganze Welt beherrschenden literarischen Journal-Drachen die Zähne ausgeschlagen . . . . Was Kaisern, Königen, Fürsten, Parlamenten und Regierungen mit ihren ungeheuren Machtmitteln nicht gelungen ist, das hat dieser Mann allein, ohne jegliche Hilfe lediglich durch die Mittel seiner genialen Begabung vollbracht. Er hat die jüngste und stärkste Großmacht, den Tyrannen unseres modernen Tschandalenzeitalters, die Preßkanaille, gestürzt⁠ ⁠! Diesem Manne kommt nicht lokal wienerische, nicht österreichische, nicht deutsche Bedeutung allein zu, dieser Mann hat den Ariogermanen wieder das Recht der öffentlichen Aussprache zurückgegeben, er hat es uns ermöglicht, daß wir jetzt, wo wir das überwältigende Schauspiel erleben, daß sich über dem seiner Lösung sich nähernden Nationalitäten-Problem riesengroß das Rassen-Problem erhebt und Europa und seiner Kultur der Untergang in der gelben und schwarzen Flut droht, unsere mahnende und belehrende Stimme erheben können. Er hat uns die Sprache wieder gegeben und die bellende »Journaille« mundtot gemacht. Wer daher Karl Kraus schmäht, der degradiert sich selbst, der tritt von selbst in die Reihen des allerdings noch immer nur zu zahlreichen Heerhaufens wissenschaftlicher und literarischer Korruptionisten, Scharlatane und Marodeure.|| Diese Apologie enthält nebst den grundlegenden Irrtümern weltanschaulicher Auffassung vor allem die Fehlansicht, daß es mir schon 1913 gelungen sei, die Presse unschädlich zu machen, die gleich darauf den Weltkrieg bewirkte und förderte, aus ihm als der einzige Sieger hervorging und es mit unaufhaltsamem Wachstum ihrer Geistesmacht bis zur Realisierung des Nationalsozialismus brachte. Man muß natürlich immer verstehen, daß für diese Wertung des eigentlichen journalistischen Wirkens der lächerliche Außenbegriff einer Preßfreiheit mit ihrer Genehmigung oder Einschränkung durch den ohnmächtigen Staat überhaupt nicht in Betracht kommt⁠ ⁠; selbst deren volle Sistierung für den politischen Zweck vermag nichts gegen die Verderblichkeit des in die Maschine diktierten wie immer gesinnten Worts, und mögen hundert Staatsanwälte die Presse bedrücken, so hat sie doch Freiheit, solange sie lebt und kein Kulturanwalt sie daran verhindert. Die Ohnmacht einer geistigen Vertretung dieser Ansicht war schon 1913 dargetan. Wichtig aber erscheint heute die Feststellung, daß ich den Ariogermanen wieder das Recht der öffentlichen Aussprache zurückgegeben habe, was ich doch, wenn es der Fall wäre, als große Unüberlegtheit erkennen müßte. Wenn jedoch von so maßgebender Seite behauptet wird, daß ich es getan habe, so darf solche Wohltat als Dank und Revanche auch für mich das Recht der öffentlichen Aussprache anfordern, und ohne mir erst die weitere Anerkennung zu verdienen, ich sei ein Märtyrer der publizistischen Überzeugungstreue. Denn wiewohl diese schmeichelhafte Ansicht vor und nach 1913 eine Übertreibung war, indem sie ja nur eine gewisse Standhaftigkeit gegenüber Preßtücken betraf, so bietet doch jetzt, wo wir nach sieghafter Erhebung des Rassenproblems ein wahrhaft überwältigendes Schauspiel erleben, eine öffentliche Aussprache über das Ariogermanentum erst die rechte Gelegenheit zur Bewährung, besonders wenn an mir auch heute noch ein menschlich fühlendes, bereits jedes fremde Unrecht als einen persönlichen, körperlichen Schmerz empfindendes Herz erkennbar wäre. Da ich aber keinen Ruhm in Anspruch nehme, ohne die Kontrastwirkung zu genießen, so muß, schon aus Gründen der unbestechlichen Rechtlichkeit, verzeichnet werden, daß die Aussprache, die ich dem Ariogermanentum ermöglicht habe, auch die folgende Version zuließ⁠ ⁠: Kraus gehört zu einem teilweise syphilitisch verseuchten Kreise von jüdischen Literaten, in dem die Schändung von Frauenspersonen an der Tagesordnung ist. Der Wortlaut ist leider nicht mehr mit voller Genauigkeit feststellbar, aber die gerechte Einschränkung betreffs der Krankheit, die von normwidrigem Umgang nicht abhält, war gemacht worden, jedenfalls hatte der Theaterkritiker in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt, für die er auch von der Nürnberger Justiz freigesprochen Wie man nicht genug vorsichtig mit solchen Hinweisen auf das Privatleben sein kann, beweist das Vorgehen kommunistischer Verleumder, die im Vorstrafenverzeichnis der Biographie nationaler Vorkämpfer gerade diesem Mann, auf den bloßen Anschein seiner Lehrtätigkeit hin, Kinderschändung nachsagten. Der Verhöhnung aller für ihr Vaterland gefallenen Frontkämpfer dar, die jemals auf offener Bühne vor sich gegangen sei. Damals konnte sich noch in Deutschland eine Stimme erheben, die da meinte, nichts mache die geistige Situation deutlicher als dieser Fall eines Mißverständnisses, indem »ein echter und schöner ethischer Fanatismus dem Gesicht vom toten, vergessenen und weggeworfenen Soldaten Wahrheit und Kraft und am nächsten Tag die Vereinigten Vaterländischen Verbände Bayerns gegen Verhöhnung des toten Frontsoldaten« protestieren⁠ ⁠; es sei, wie wenn Proletarier gegen die »Weber« protestierten, »weil sie sich in der Darstellung ihres Schicksals und ihrer Leiden verhöhnt fühlten«. Statt der Schieber, hatten sich die Geschobenen gemeldet. Es war umso interessanter, als dieselben Wortführer dort, wo ihnen das Rassenmerkmal gelegen kam, die analoge Betrachtung des Frontsoldaten für ihre Zwecke der »Letzten Nacht« Sprecher des toten Frontsoldaten doch exemplarisch spotten. Schon damals, gegenüber dem Mangel jeder Ahnung über eine Identität der Ansichten und der Autorschaft, habe ich der Problematik zwischen Wahnschaffe und Schwarz-Gelber den Ausdruck gegeben, es sei vielleicht wirklich noch erfreulicher, von der Stupidität an die Seite der Schakale und Hyänen gerückt zu werden als ihr Helfer gegen diese zu sein. Die Schwierigkeit, die sich der nationalen Kulturkritik nicht nur durch die Divergenzen innerhalb meines Gesamtwerks, sondern schon innerhalb einer und derselben Partie ergibt, macht es begreiflich, daß sie mich bei der Säuberung übergangen hat, was mir vielfach den Verdacht zugezogen hat, daß sie mich rechts liegen ließ. Aber solche Schwierigkeit wiegt nichts gegenüber der Mühsal des Versuchs, die Sprache ariogermanischen Wesens zu deuten, wenn derjenige das Wagnis unternimmt, der sie ihm wiedergegeben hat und dem mit der Berechtigung auch der ehrliche Wille zuerkannt sein muß, sie zu verstehen, wenn schon nicht zu billigen. Daß ich sie nicht billige, dürfte sich gezeigt haben⁠ ⁠; daß ich sie aber auch nicht verstehe, muß der Vorwurf bleiben, der mich an die Seite Europas rückt, dessen kulturelle Erhaltung bis heute nicht mein Antrieb war und dessen Untergang in der gelben und schwarzen Flut mir beiweitem kein so grauses Gemisch vorstellt wie sein Hinfall an die braune. Ich weiß, daß diese Kultur auch ohne die Möglichkeit, daß ein blutbesoffener Pöbel mit ihren Gütern schaltet, ihre Übel, ja ihre Schrecken hat, und symptomempfindlich wie ich bin erschließe ich Krieg und Hunger aus dem Gebrauch, den die Presse von der Sprache macht, aus der Verkehrung von Sinn und Wert, aus der Entleerung und Entehrung allen Begriffs und allen Inhalts. Sicherlich, wenn sie heroischem Erinnern frönt, so ersteht das Projekt als Alpdruck eines österreichischen Denkmals für BERNA — Käse den Unbekannten Soldaten . . . . Schmach ihrem Gedenken durch alle Zeit, in der sie leben wird⁠ ⁠! Wenn nicht die Menschheit, die es bewußtlos erträgt, ihre letzten Tage hinter sich hat, im Begriffe, von jenem Diktator geholt zu werden, der einstweilen ihre Wortführer zwingt, bei allem, was sie frisch wagen und ganz verlieren, bis zum letzten Ende eben dieses zu berufen. Zwangsläufig haschen sie nach der Formel, die, wenn alle Phrasen gezündet haben, als letzte Motte dem Brand einer Papierwelt zufliegt. Doch selbst nicht der Handel, den die Presse mit dem Krieg eingeht und der nun wirklich von jener Käseausstellung 1914 über alles, was den Maden anheimfiel, bis zu diesem Dokument reicht⁠ ⁠; kein Frevel, dessen die Zivilisation an der Schöpfung fähig ist — nichts vergleicht sich mit der wahnschaffnen Tat, die solcher Wirklichkeit zuwuchs. Mag der Weg zu ihr vom ausgehöhlten Wort geführt haben, mag die Presse auch hier der Unheilsbote sein, der es zu verantworten hat — wir müssen ihm danken, wenn er das Unheil nur meldet, das vor jeglichem Versuch, es zu deuten, bloß den Gedanken an Rettung gewährt, bloß das Gefühl, mit allem, was zu meiden ist, in Wehrlosigkeit verbunden zu sein⁠ ⁠; und bloß die Frage, wie lange es noch dauern wird. Vor Augen, müde des Mords, vor Ohren, müde des Betrugs, vor allen Sinnen, die nicht mehr wollen und denen die Mixtur aus Blut und Lüge widersteht, taumeln und gellen noch diese täglichen Kommandos vorüber einer Pestgewalt, die alles Erdenkliche gegen sich selbst vorkehrt⁠ ⁠: Vermögenseinziehung, Aberkennung der Staatsbürgerschaft, Verhinderung der Neubildung politischer Parteien, Zulassung von Spielbanken, Ausschaltung von Wirtschaftskommissaren, Zulassung von nur einem Drittel als Hospitanten, Zwangsbeitritt zur Arbeitsfront, Eingliederung der Studenten in den freiwilligen Arbeitsdienst, Zusammenschließung der Musiker in die Fachschaft, Anmeldepflicht für mit Erbkrankheit Behaftete, Verhaftung von Verwandten Entflohener, Anordnung zur Erhebung des rechten Armes, Erschießung auf der Flucht. Wie lange noch⁠ ⁠? Die Handlung rückt an den Punkt, wo, wollt’ er nun im Waten stille stehn, Rückkehr so schwierig wär’, als durchzugehn. Seltsames glüht im Kopf, es will zur Hand, und muß getan sein, eh’ Doch ist’s gewiß, er kann den wild empörten Zustand nicht mehr schnallen in den Gurt der Ordnung. Jetzt empfindet er geheimen Mord an seinen Händen klebend⁠ ⁠; jetzt straft Empörung stündlich seinen Treubruch⁠ ⁠; die er befehligt, handeln auf Befehl, aus Liebe nicht. Jetzt fühlt er seine Würde zu weit und lose, wie des Riesen Rock hängt um den dieb’schen Zwerg. Mir war, als rief es⁠ ⁠: »Schlaft nicht mehr. Macbeth mordet den Schlaf⁠ ⁠!« Und drum wird Macbeth nicht mehr schlafen. zu sein, ist nichts⁠ ⁠: doch sicher so zu sein⁠ ⁠!« Beispiele gibt es, wie solcher Aufstieg, der Konsorten hat, verläuft, wenn jeglicher Mitwisser, mehr als sein Teil begehrend, nach der ergriffnen Macht greift. Nach außen alles einig⁠ ⁠: sie wird Jahrhunderte überdauern⁠ ⁠; wir sind keine Partei, wir sind eine Wer wagt es, den Mythos durch Hunger zu stören⁠ ⁠? Wir denken in Jahrhunderten . . . . Es fangen manche an zu meckern. In Deutschland hat keiner zu meckern . . . . Heilloses Wort, das aus der Walhalla in die Hölle reißt, wo sie asphaltiert ist⁠ ⁠! Verbürgt es jene Dauer⁠ ⁠? Überall Zeichen des Kleinmuts. Goebbels stellt fest, die nationale Presse hat auf dem Gebiet des Feuilletons und damit auf dem Gebiet der Kultur überhaupt fast hundertprozentig versagt. Es gilt, den neuen Menschen zu schaffen, es fehlt aber an einem hauptamtlichen Buchbesprecher. Brückner sagt, die Revolution ist nicht beendigt, sondern geht weiter. Doch man soll sich nicht festlegen. Der Reichsführer der SS., Himmler heißt er, hat die Burg Schwabenberg zwecks Einrichtung der Reichsrassenschule bloß auf 99 Jahre gepachtet. Dann kann man weiter sehn. Er, der im praktischen Leben steht und auch für die Sicherheit Münchens zu sorgen hat, kann doch schon heute, nicht ohne Einschränkung, schätzen⁠ ⁠: ein neuer Geschichtsraum hat begonnen, der sich — es mag vielleicht lächerlich klingen — über 20.000 bis 30.000 Jahre ausdehnen wird. Die SS. wird »auf der Erkenntnis vom Wert des Blutes« (ganz besondrer Saft) aufgebaut werden⁠ ⁠; dürfte, wenn die ersten Äonen vorbei und die Stabilisierung begonnen hat, in den Rang himmlischer Heerscharen aufsteigen. Und die SA. — mißvergnügt und der Erdennot überlassen⁠ ⁠? Geistliche Tröster erstehen, welche sagen, die deutschen Christen seien die SA. Jesu Christi im Kampf zur Vernichtung der leiblichen, sozialen und geistigen Not. Wer aber hilft der SA.⁠ ⁠? Im Bürgerbräu kündet einer, der Führer habe ihm anvertraut, daß er in der Entwicklung — sie ging von dort aus — ein Wunder sehe und sich als ein von Gott berufenes Werkzeug empfinde. Doch die SA. — wie will sie nun vollbringen⁠ ⁠? Anders als begonnen⁠ ⁠? Nicht anders⁠ ⁠: ganz wie begonnen⁠ ⁠! Was immer sie vollbrachte, es waren ja Kommunisten. Brandlegend, grundlegend — Kommunisten waren es. Raub und Mord an Kommunisten⁠ ⁠: Kommunisten befleckten die unblutigste aller Revolutionen. Sie legten die Uniformen jener an, immer mehr, immer mehr — und nun stecken in allen nur noch Kommunisten. Furchtbare Enthüllung letzten Endes⁠ ⁠: alles war getarnt⁠ ⁠! Der Birnamwald rückt heran. »Das Gesicht der Bewegung steht nun eindeutig da.« Immer schon⁠ ⁠; denn es war aus zwei Gestalten, die Tag für Tag sich zum Unikum verbanden, zur deutschen Doppelsage. Von jenem Schweppermann, dem Braven, der statt eines Ei’s deren zwei bekam, und jenem Haarmann, den nach mehr Menschen noch gelüstet. Wie hat uns das Monstrum gerührt und gewürgt⁠ ⁠! Erstand es aus den Gasschwaden des Kriegs, um neue, allerstickende heraufzubringen⁠ ⁠? Der Giftgeist, dem die Gehirne erlagen, droht der Apokalypse zu widerstehn. Soll frommer Sinn zivilisiertem Mißbrauch der Gottesgaben die Zuchtrute am Himmel erkennen⁠ ⁠? Ist, worunter die Erde gelangt ist, ein Komet, dem Kreuze gleichend, von dem die Bücher sagen, rechtsgeflügelt bedeute es Niedergang, Vergehen, Tod⁠ ⁠? Ein armes Volk hebt beschwörend die Rechte empor zu dem Gesicht, zu der Stirn, zu der Pechsträhne⁠ ⁠: Wie lange noch⁠ ⁠! — Nicht so lange, als das Gedenken aller währen wird, die das Unbeschreibliche, das hier getan war, gelitten haben⁠ ⁠; jedes zertretenen Herzens, jedes zerbrochenen Willens, jeder geschändeten Ehre, aller Minuten geraubten Glücks der Schöpfung und jedes gekrümmten Haares auf dem Haupte aller, die nichts verschuldet hatten, als geboren zu sein⁠ ⁠! Und nur so lange, bis die guten Geister einer Menschenwelt aufleben zur Tat der Vergeltung⁠ ⁠:Sei das Gespenst, das gegen uns erstanden,Sich Kaiser nennt und Herr von unsern Landen,Des Heeres Herzog, Lehnsherr unsrer Großen,Mit eigner Faust ins Totenreich gestoßen⁠ ⁠!