Die nationale Errungenschaft wieder, selbst wenn sie noch Fortschritte zuließe, scheint nicht zu halten, was sie versprochen hat. Mit der Erkenntnis, daß die Juden, die Marxisten, die Radfahrer wie auch die Bekenner der Relativitätstheorie wie an allen Übeln auch noch am Kriegsausgang schuld seien, hat man eher Verwirrung gestiftet. Besteht hauptsächlich in diesem Punkt immer wieder Grund zu der Beschwerde, dem Ausland mangle es für das, was in Deutschland vor sich geht, an dem notwendigen Verständnis, so sind doch auch die besten der Eigenen kopfscheu geworden. Selbst ein Hercules hätte auf dem Scheideweg zwischen Rassenstolz und Hebung des Fremdenverkehrs nicht beides zugleich leisten können. In der einen Richtung ist insofern ein Erfolg zu verzeichnen, als ein Blatt bereit war, für Geld gute Worte auf englisch zu nehmen⁠ ⁠: Deutschland lädt Sie herzlich zu einem Besuch während dieses Sommers ein. Zu all den berühmten Reizen, die Deutschland auf Reisende ausübt, tritt jetzt noch das bezaubernde Schauspiel⁠ ⁠: die Wiedergeburt eines Volkes hinzu. Mit Recht heißt es weiter, Deutschland genieße heute die Auszeichnung, Europas interessantestes Land zu sein. Ganz abgesehen davon, daß selbstverständlich überall vollste Ordnung herrscht und für Sicherheit wie Bequemlichkeit Gewähr geleistet wird, erwarten Sie neue Ideen und breiterer Ausblick als bisher und werden Ihnen (wie bei jenen Schlachtfelder-Rundfahrten) unauslöschliche Eindrücke vermitteln, die immer wieder in Ihnen aufsteigen werden. Die Luft ist ganz erfüllt von Musik, und nirgendwo anders kann der gebildete Reisende leichtermit den schöneren und besseren Gütern des Lebens Bekanntschaft machen. Deutschland bietet jetzt die restlose Vollendung einer modernen Erziehung für Jung und Alt. Es lädt Sie ein, an dem Leben seiner Kunst, seiner Wissenschaft, seiner Philosophie, seiner Geschichte tätigen Anteil zu nehmen, und vor allem an der feinen Lebenskunst, mit der Deutschland heute das Dasein jedes Einzelnen durchwebt. Deutschland ist heute mehr als je zuvor Ihr höflicher und rechtschaffener Wirt . . Für eine bescheidene Ausgabe können Sie in Deutschland den Traum Ihres Lebens verwirklichen . . Wo Redlichkeit für sich selbst spricht, kann der Eindruck auf die Welt nicht ausbleiben. Wenn nur die Eigenen Raison annehmen wollten und sich, nachdem sie Blut geleckt haben, zufrieden gäben. Sind Briten hier⁠ ⁠? Sie reisen sonst soviel⁠ ⁠! Warum kommen sie denn nicht⁠ ⁠? Ach, es gab Mißverständnisse. Der höfliche und rechtschaffene Wirt haut keinen Fremden übers Ohr, aber weil sie manchmal fremdartig aussehen, kann er’s halt doch nicht vermeiden. Er annoncierte »Germany invites you«, aber als sie kamen, gab’s Haudujudu. Manchmal erfolgt die Entschuldigung, daß es nur ein Mißverständnis war, eine Verwechslung, wegen des Aussehens, das man sich selbst zuzuschreiben hat. Die Korrektheit der Aufklärung wird anerkannt, doch die rechte Wärme will sich nicht einstellen. Der ganze Orient hat längst wegen orientalischen Aussehens Bedenken, aber auch der Westen zögert. Die größte Schwierigkeit liegt in dem Mangel, daß die Welt mit den Bräuchen des Landes nicht vertraut ist und gegen sie zu verstoßen fürchtet. Ohne jeden Sinn für die Bedürfnisse des deutschen Fremdenverkehrs hat das Ausland die Meldungen verbreitet, daß Amerikaner, nicht ahnend, daß man zu Horst Wessel aufzustehn und vor Fahnen zu müllern hat, niedergetrampelt wurden. Dann der Reihe nach Engländer, Franzosen, Belgier, Holländer, Schweizer. Einem rumänischen Ingenieur werden die Hände ins Feuer gesteckt, »damit er zugebe, daß er ein Jude sei«. Ein Brite, siebenmal in einer Stunde angehalten und visitiert, warnt in den ‚Times‘ vor Reisen nach Deutschland, und es wäre doch allen Beteiligten geholfen, wenn Cook einfach rechtzeitig Verhaltungsmaßregeln erteilte. Auch den Einheimischen täten sie not⁠ ⁠: ein Gutsbesitzer ließ sich dazu hinreißen, den Hitler-Gruß eine Kinderei zu nennen, »Teile der Bevölkerung stehen mit den Händen in den Hosentaschen, wenn Sturmfahnen vorbeiziehen«, offenbar denkend, auch das werde vorübergehn⁠ ⁠; ein Mädchen in Neuruppin bekam eine Tafel um den Hals, da stand, sie sei ein schamloses Frauenzimmer, weil sie bei Horst Wessel sitzen geblieben. Die Bevölkerung ist von den Idealen begeistert, aber schwer dazu zu erziehen, wenigstens nicht außerhalb des Lagers⁠ ⁠; in die Schlageter-Ausstellung geht kein Mensch und bei einer Rundfrage des Theaters in Erfurt bekam Offenbach mehr Stimmen als Johst. Nichts als Pech, nichts als Mißverständnisse, die Einheimischen halten die Fremden für Juden, die Fremden halten die Einheimischen für Barbaren, doch daß gar diese untereinander nicht Bescheid wissen, ist beschämend. Was soll aus Oberammergau werden, wo schon Bayreuth der besondern Weihe bedarf, daß die Regierung die Freikarten aufkauft⁠ ⁠? Dort war ein tragischer Konflikt zwischen Fremdenverkehr und besserer Überzeugung aufgebrochen. Zimmervermieter, die sich als Apostel verkleiden, sind heißt es Nationalsozialisten geworden und sollen Gewissensqualen ausstehen, weil sie jüdische Typen darzustellen haben. Nun hatten sie sich, um das peinliche Gefühl der Verstellung loszuwerden, gleich die langen Bärte und Schmachtlocken wachsen lassen, die sie für das Passionsspiel brauchen. Was geschieht⁠ ⁠? Volksgenossen aus dem Norden kommen, sehen es und raufen ihnen den echten Bart, in dem falschen Glauben, er sei echt. Bei solchem leibhaftigen Anteil an der darzustellenden Passion mußten sie erkennen, daß es keine mehr sei, und machten den Vorschlag, die Bärte bis auf ein Minimum zu entfernen und an Stelle des Leidens Christi das Leben Hitlers darzustellen, was jedoch abgelehnt wurde, da man meinte, dieses Thema würde keine Fremden herbeilocken. Man einigte sich schließlich auf den goldenen Mittelweg, die Spiele in ihrer alten Form beizubehalten und nur durch wiederholtes Absingen des Horst Wessel-Liedes aufzufrischen. Bezüglich der Darsteller wurde verordnet, daß »der Christus nur ein blonder Mann mit blauen Augen sein darf, mit Hakenkreuzen am Rock« und daß die ihm treuen Apostel arisch-germanischen Typus haben müssen, während der Judas »als prononziert jüdischer Typ« zu geben ist, eine Reform, deren Mühe sich der Propagandaminister mit Selbstaufopferung unterzog. Die Möglichkeit aber, das Leben des Nazireners darzustellen, wird einer Zeit vorbehalten sein, wo entsprechende Werbung für ein besseres Verständnis der Außenwelt gesorgt haben wird, wenn es nicht von selbst eintreten sollte, gemäß Goebbels’ Überzeugung daß das, was wir heute machen, bahnbrechend für die ganze Kulturwelt ist⁠ ⁠: für die nationalsozialistische Welt. Wenn sie auch heute noch nicht besteht, so wird sie in zehn Jahren unsere Gesetze abschreiben. Was wir heute tun, wird in zehn Jahren vorbildlich sein für die ganze Welt. Das was wir heute tun, wird für ganz Europa maßgebend sein. Es gelte jetzt nur noch ein System auszubauen, das künftige Jahrhunderte überdauert und eine Organisation zu schaffen, die selbst dann noch hält, wenn es einmal »an Talenten fehlen sollte«. Wir haben für die zu sorgen, die da kommen werden, und die Repertoireänderung für Oberammergau wird sich von selbst ergeben, denn Kube (Pergamon) hat es gesagt⁠ ⁠: Adolf Hitlers Mission ist eine göttliche.