Was den literarischen Ausdruck der Zeitstimmung betrifft, der in so vehementen Kundgebungen wie jener gegen Flucht und Verbleib der Juden vorliegt, so ist gewiß nicht zu leugnen, daß ein wenig über die Galgenstränge geschlagen wurde. Gleichwohl hat das Wort nicht geringern Anspruch als die Tat, mit der Nachsicht beurteilt zu werden, die den Sturm und Drang einer jungen Bewegung von deren Wertgehalt unterscheidet. Man darf dem, was man ihr zugutehalten muß, nicht das Gute übersehen und muß auch hier den Standpunkt einer Führung anerkennen, von der man ja immer wieder die ausdrückliche Mißbilligung von Übergriffen vernommen hat, die sie gutheißt. Denn man könnte doch im Ernst nicht annehmen, daß Worte, die so brüsk den Tatendrang bejahen, dem Geschmack eines Mannes gemäß seien, von dem Kube, selbst ein Ästhet, gesagt hat⁠ ⁠: Es ist der Wille Adolf Hitlers, daß der politische Kampf . . geadelt sei durch die Pflege deutscher Kunst. Wir engeren Mitarbeiter wissen, daß er der feinsinnigste Kunstkenner ist, der je an der Spitze einer großen Nation gestanden hat. Ich erinnere mich, wie er vor dem großen Entscheidungskampf um das Kabinett Schleicher sich an die Stufen des Pergamonaltars begab, um an seiner gewaltigen Schönheit die eigenen inneren menschlichen Sehnsüchte wieder aufzufrischen. Und nach den rauhen Kampftagen solle sich das deutsche Volk wieder auf seine Seele besinnen, denn »seelische Erneuerung tut not«. Die musische Seite, die eigentlich die stärkere ist, wurde bisher viel zu wenig beachtet, und selbst der Fachmann würde staunen über die geheimen Sehnsüchte eines Tatmenschen, von dem sein eigenes Blatt, das doch gewiß informiert ist, unter dem Titel »Wenn die Künstler wüßten . . .« das Bild eines Mäcenas entwirft, wie ihn der Horaz nicht geträumt hat⁠ ⁠: Wenn die Künstler ahnen würden, wie sehr Adolf Hitler den Inbegriff des musischen Menschen verkörpert, so hätte er unter ihnen keine Gegner — dieses Wort, in den Zeiten unserer schwersten Kämpfe von Baldur von Schirach geprägt, es hat uns wie ein Stern der Verheißung selbst die dunkelsten Stunden hell und licht gemacht. Also nicht erst die Erscheinung als solche, nein schon wie Schirach sie sah, Schirachs Wort war aufrichtend. Selbst wenn wir schier ach verzagen wollten — dieser Talismann der Hoffnung feite uns gegen jedes Erlahmen⁠ ⁠: Wenn die Künstler wüßten . . . Ein Stein, der die geheime Kraft hat, bei Gott und Menschen unbeliebt zu machen⁠ ⁠? Nicht doch, der ‚Völkische Beobachter‘ bestätigt die Erkenntnis jenes Sehers, dessen Name schon wie eine Mischung aus Edda und Pentateuch klingt⁠ ⁠: Wenn sie wüßten, was zu erleben schon früh unser Schicksal wurde, daß ein politischer Führer keineswegs naturnotwendiger Weise amusischen Charakters sein muß, sondern sehr wohl mit der Härte einer heroischen Überzeugung und der Unerbittlichkeit des Befehls Aufgeschlossenheit für alle künstlerischen Verklärungen des Daseins haben kann — sie würden, dessen waren wir von jeher gewiß, zur Heerschar derjenigen stoßen, die wie wir »aller Differenziertheit des Intellekts entsagen lernten«, um ihn »schlechthin zu lieben«. Wenn sie wüßten — dieser Gedanke bemächtigte sich unser mit fast quälender Gewalt. Man kann sich denken, was die vom ‚Völkischen Beobachter‘ gelitten haben⁠ ⁠; es grenzt an Dachau. Aber⁠ ⁠: Sie sollen es wissen, sie müssen es wissen⁠ ⁠! Zu diesem Behufe werden »die künstlerisch-schöpferischen Persönlichkeiten der Theater- und Filmwelt« an den Kaiserhof, der ein Hotel ist, berufen⁠ ⁠:Jetzt so, mit ungeheurem Streben,Drang aus dem Abgrund ich herauf,Und fordre laut, zu neuem Leben,Mir fröhliche Bewohner auf und es ergibt sich, ganz im Concordiastil, da man die Staatskunst mit der Muse plaudern sah, ein zwangloser, aber reger Gedankenaustausch. Mancher, dem ich Talent beigebracht habe, ist dabei und sonnt sich. Man sieht, wie Willy Fritsch beim Händedruck am Ziel ist, wie die Paudler (deren Gleichschaltung mich gleichfalls kalt läßt) ins Dritte Reich eingeht, man hört wie die Liane Haid ausruft⁠ ⁠: »Großartig hab’n S’ das g’macht, Herr Hitler, nur so weiter, toi toi toi⁠ ⁠ Und immer lachend Goebbels unter den Lamien⁠ ⁠:Wie sie dem Satyrvolk behagen⁠ ⁠;Ein Bocksfuß darf dort alles wagen. Und nun⁠ ⁠: durchzuckt uns nicht mehr jenes schmerzliche⁠ ⁠: Wenn sie wüßten, sondern beglückt uns die Gewißheit⁠ ⁠: Jetzt wissen sie⁠ ⁠! Von da ist im Musischen nur noch ein Schritt zu der Feststellung der sogenannten »Dötz«, das Publikum habe dem Komponisten einer Goethe-Symphonie, die dem Führer gewidmet ist, zugejubelt, denn es grüßte mit dem Meister die großen Geister, denen sein Werk dient⁠ ⁠: Goethe und Adolf Hitler. Der Musikkritiker, der es schrieb, heißt Damisch. So nur kann, so muß es sein schloß treffend der völkische Kollege, als es die Künstler endlich erfahren hatten.