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ist gewiß übertrieben, wenn man in Betracht
zieht, was ich alles seither über ein Druckwesen
auszusagen wußte, das von Leuten bestellt wird, die
bloß wegen Verfehlung anderer Berufe dazugelangt
sind. Aber ebendarum geben sie der »Demo-
lierten Literatur« den Vorzug, deren Lob das
Alibi der von ihr unberührten Schreibergeneration
bildet ; meinen Todfeinden hat sie es angetan und
ein Satirenkenner wie Monty Jacobs fand, daß ich
mich seit damals, und zwar durch fünfunddreißig
Jahre, ausgeschrieben habe. Heute glaubt man
bei aller Anerkennung jenes Standardwerkes ein
Gemeinsames mit dem Nationalsozialismus darin
zu erkennen, daß die Betroffenen »das Demo-
lierungsurteil überlebt haben«. Strittig bleibt immer-
hin, ob ihre Berufsgenossen auch das Urteil
überleben werden, das über sie in den Jahr-
gängen der ‚Fackel‘ gefällt ist. Werde ich nun hier
noch zu meinem Vorteil mit Goebbels verglichen,
was auch nicht angenehm ist, so hat dasselbe Blatt
in einem andern Artikel das Problem meiner gei-
stigen Verbindung mit Hitler von einer andern Seite
betrachtet, wobei ich zum Glück nicht ganz so
gut davonkomme. Denn hier wird man sich des
stärkeren Inhalts einer polemischen Lebensleistung
bewußt, indem man anden Kampf gegen die
Presse anknüpft, durch den ich die Lorbeeren meiner
Jugendarbeit eingebüßt habe, und ich stehe nun wohl
als Vorkämpfer da,doch als einer, der den Erfolg
fremder Tatkraft einheimst. Und zwar in einem
Leitartikel, der den Einfluß jüdischer Köpfe auf Hitler
an einer Reihe »seiner geistigen Ahnen« nachzuweisen
sucht und sie wie folgt abschließt : . . . Unbestreitbar ist, daß die Ideen der Arbeitspflicht und der
Nährpflicht von Popper-Lynkeus vorausgedacht waren. Man könnte
die Serie der vorausdenkenden Judenköpfe bis auf Karl Kraus weiter-
führen, dessen kühnste Wunschträume von Hitler erfüllt worden
sind. Es gibt in Deutschland keine Journaille mehr, ausgetilgt sind
alle Feinde der Fackel von Reinhardt bis Kerr ! . . .
zieht, was ich alles seither über ein Druckwesen
auszusagen wußte, das von Leuten bestellt wird, die
bloß wegen Verfehlung anderer Berufe dazugelangt
sind. Aber eben
lierten Literatur« den Vorzug, deren Lob das
Alibi der von ihr unberührten Schreibergeneration
bildet ; meinen Todfeinden hat sie es angetan und
ein Satirenkenner wie Monty Jacobs fand, daß ich
mich seit damals, und zwar durch fünfunddreißig
Jahre, ausgeschrieben habe. Heute glaubt man
bei aller Anerkennung jenes Standardwerk
Gemeinsames mit dem Nationalsozialismus darin
zu erkennen, daß die Betroffenen »das Demo-
lierungsurteil überlebt haben«. Strittig bleibt immer-
hin, ob ihre Berufsgenossen auch das Urteil
überleben werden, das über sie in den Jahr-
gängen der ‚Fackel‘ gefällt ist. Werde ich nun hier
noch zu meinem Vorteil mit Goebbels verglichen,
was auch nicht angenehm ist, so hat dasselbe Blatt
in einem andern Artikel das Problem meiner gei-
stigen Verbindung mit Hitler von einer andern Seite
betrachtet, wobei ich zum Glück nicht ganz so
gut davonkomme. Denn hier wird man sich des
stärkeren Inhalts einer polemischen Lebensleistung
bewußt, indem man an
Presse anknüpft, durch den ich die Lorbeeren meiner
Jugendarbeit eingebüßt habe, und ich stehe nun wohl
als Vorkämpfer da,
fremder Tatkraft einheimst. Und zwar in einem
Leitartikel, der den Einfluß jüdischer Köpfe auf Hitler
an einer Reihe »seiner geistigen Ahnen« nachzuweisen
sucht und sie wie folgt abschließt : . . . Unbestreitbar ist, daß die Ideen der Arbeitspflicht und der
Nährpflicht von Popper-Lynkeus vorausgedacht waren. Man könnte
die Serie der vorausdenkenden Judenköpfe bis auf Karl Kraus weiter-
führen, dessen kühnste Wunschträume von Hitler erfüllt worden
sind. Es gibt in Deutschland keine Journaille mehr, ausgetilgt sind
alle Feinde der Fackel von Reinhardt bis Kerr ! . . .
| deshalb
|₰
| jenen
| aber
Jerusalemer Konvolut, fol. [15] recto
Pagination oben rechts: "15". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Weitere Textschichten
- Tinte, schwarz (Karl Kraus)
Datierung (terminus post quem)
Grundschicht: 09. 05. 1933 (zitierter Text)