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umgänglichern
Wenn es | auch in einem bessern Deutsch als es der
nationalen Presse eignet — heute die»|Reichspost«|
sagt, die den Weltkrieg teils als die österreichische
Initiative der Vergeltung, teilsN|ibelungentreu als
Untat der Einkreiser kommentiert hat, so wird es
zur vollen Wahrheit,wofern| sie auch sagen will, daß
der schreckliche Irrtum, der ihn entspringen ließ, der
Irrtum jener war, die die Verzerrung bewirkt haben,
indem sie den kriegerischen Geist in der kriegerischen
Literatur und diese im kriegerischen Tun den Nieder-
schlag finden ließ|, und wenn| sie darin die Tragik
erkennt, daß es nicht gelungen ist, noch diesen nieder-
zuschlagen. Unerschüttert von der Assoziation, die
der zermürbende, ermüdende, vampyrhaft Europa be-
lagernde Begriff dieses ewigen Siegfriedwesens längst
mit einer bezogenen Siegfriedstellung eingegangen
ist, wünscht sich solche Welt eine Komplettierung mit
Teufeln, als wären ihrer nicht genug auf Erden. Lebt
noch immer in der Fibelvorstellung, daß viel Feind’
viel Ehr’ bedeutet, als ob es sich von den gesell-
schaftlichen Usancen des isolierten Raufbolds | auf die
Wirtschaftsbeziehungen der Völker übertragen ließe.
Die Menschheit verwundert sich eines Bestandteils,
dem die Isolation unentbehrlich ist, splendid nur in
dem Sinne, daß sie auf allgemeine Kosten erfolgt.
Da wirken alle diplomatischen Vorkehrungen, auch
diese schon mehr komischen Konferenzen, die sich
durch fortwährenden Wechsel der Lokalität einen
Fortschritt erhoffen, wie der Halm des Pygmäen
gegen den stahlharten Wahn, der die Entwicklung
eines politischen Körpers vom Quartär ableitet und
auf Äonen bemißt.
nationalen Presse eignet — heute die
sagt, die den Weltkrieg teils als die österreichische
Initiative der Vergeltung, teils
Untat der Einkreiser kommentiert hat, so wird es
zur vollen Wahrheit,
der schreckliche Irrtum, der ihn entspringen ließ, der
Irrtum jener war, die die Verzerrung bewirkt haben,
indem sie den kriegerischen Geist in der kriegerischen
Literatur und diese im kriegerischen Tun den Nieder-
schlag finden lie
erkennt, daß es nicht gelungen ist, noch diesen nieder-
zuschlagen. Unerschüttert von der Assoziation, die
der zermürbende, ermüdende, vampyrhaft Europa be-
lagernde Begriff dieses ewigen Siegfriedwesens längst
mit einer bezogenen Siegfriedstellung eingegangen
ist, wünscht sich solche Welt eine Komplettierung mit
Teufeln, als wären ihrer nicht genug auf Erden. Lebt
noch immer in der Fibelvorstellung, daß viel Feind’
viel Ehr’ bedeutet, als ob es sich von den gesell-
schaftlichen Usancen des isolierten Raufbolds | auf die
Wirtschaftsbeziehungen der Völker übertragen ließe.
Die Menschheit verwundert sich eines Bestandteils,
dem die Isolation unentbehrlich ist, splendid nur in
dem Sinne, daß sie auf allgemeine Kosten erfolgt.
Da wirken alle diplomatischen Vorkehrungen, auch
diese schon mehr komischen Konferenzen, die sich
durch fortwährenden Wechsel der Lokalität einen
Fortschritt erhoffen, wie der Halm des Pygmäen
gegen den stahlharten Wahn, der die Entwicklung
eines politischen Körpers vom Quartär ableitet und
auf Äonen bemißt.
Nun|, das Problem der »Einrechnung der Hilfs-
polizei« verschwindet wohl vor der Frage, ob nicht
mit jedem deutschen Zivilisten das Kontingent über-
schritten sei, und diese Frage ist keine Übertreibung,
wenn man die »Zehn Gebote des Wehrkatechismus«
liest, der auf dem Grundsatz aufgebaut ist : Jeder deutsche Mann muß moralisch und physisch vorbereitet sein,
um für die Verteidigung des Vaterlands zu den Waffen zu greifen. Schon das erste Gebot geht aufs Ganze : Du mußt imstande sein, dreißig Kilometer mit einem schweren Tonr-
nister am Rücken ununterbrochen zu marschieren. Was sollen die Normen der Menschheit ? Es ist irrnational !
polizei« verschwindet wohl vor der Frage, ob nicht
mit jedem deutschen Zivilisten das Kontingent über-
schritten sei, und diese Frage ist keine Übertreibung,
wenn man die »Zehn Gebote des Wehrkatechismus«
liest, der auf dem Grundsatz aufgebaut ist : Jeder deutsche Mann muß moralisch und physisch vorbereitet sein,
um für die Verteidigung des Vaterlands zu den Waffen zu greifen. Schon das erste Gebot geht aufs Ganze : Du mußt imstande sein, dreißig Kilometer mit einem schweren To
nister am Rücken ununterbrochen zu marschieren. Was sollen die Normen der Menschheit ? Es ist irrnational !
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| falls
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Jerusalemer Konvolut, fol. [75] recto
Pagination oben rechts: "74". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Weitere Textschichten
- Tinte, schwarz (Karl Kraus)
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