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verbürgen als die ältere Ironie und der vielleicht
sogar die Gastwirte und Zigarrenverkäufer durch-
schaut hat, die als Cherusker verkleidet durch den
Grunewald zogen, gibt die Hoffnung nicht auf. Er
scheint den Mosesstab zu haben, der Wasser aus
dem Gestein holt. Er läßt Autoren, Direktoren und
Verleger zu sich kommen, weist ihnen Richtungen,
Wege und Ziele und erschreckt sie durch die Ver-
heißung, »den schreibenden schöpferischen Teilen
des Volkes würden so viele Probleme entgegenge-
geschleudert, daß man hundert Jahre daran zu arbeiten
habe«. Worauf dieAusgestoßenen nur sagen können :
bis in hundert Jahr, und daß, wer früher fertig ist,
von Glück sagen kann. Inzwischen geht die
Entwicklung der Lebensdinge im Sturmschritt,
wir haben es, wie die illustrierten Blätter zeigen,
binnen zwei Monaten geschafft, daß den Jungfrauen
meterlange Zöpfe gewachsen sind, und schon hat
sich dem Führer eine Leibwache gesellt, bestehend
aus »langen Kerls«, 1.95. Vom frischen Geiste fühl ich mich durchdrungen, Gestalten groß, groß die Erinnerungen. Wenn demnach Fridericus rex vielfach wieder zu
Ehren kommt — bis zum »Inspecteur«, aber
ohne den Grundsatz, daß Gazetten nicht geniert
werden sollen —, so wird doch auch an eine jün-
gere heroische Vergangenheit angeknüpft, die der
Gedanken und Erinnerungen keineswegs entbehrt.
So nannte sich jemand kürzlich einen »ehrlichen
Makler« — offenbar ein Hieb gegen jene andern,
die auf der Börse in Uniform herumgehn —; ferner
gibt es Ansichtskarten, die ihn neben dem Schöpfer
des vergangenen Reiches zeigen, und der Unterschied
dürfte nur sein, daß wir Deutsche zwar auch damals
nichts in der Welt gefürchtet haben, aber doch Gott.
Dagegen sind▒bertreibungen anderer Art ausdrücklich
verpönt, wie zum Beispiel die Anbringung von Wahl-
sogar die Gastwirte und Zigarrenverkäufer durch-
schaut hat, die als Cherusker verkleidet durch den
Grunewald zogen, gibt die Hoffnung nicht auf. Er
scheint den Mosesstab zu haben, der Wasser aus
dem Gestein holt. Er läßt Autoren, Direktoren und
Verleger zu sich kommen, weist ihnen Richtungen,
Wege und Ziele und erschreckt sie durch die Ver-
heißung, »den schreibenden schöpferischen Teilen
des Volkes würden so viele Probleme entgegen
geschleudert, daß man hundert Jahre daran zu arbeiten
habe«. Worauf die
bis in hundert Jahr, und daß, wer früher fertig ist,
von Glück sagen kann. Inzwischen geht die
Entwicklung der Lebensdinge im Sturmschritt,
wir haben es, wie die illustrierten Blätter zeigen,
binnen zwei Monaten geschafft, daß den Jungfrauen
meterlange Zöpfe gewachsen sind, und schon hat
sich dem Führer eine Leibwache gesellt, bestehend
aus »langen Kerls«, 1.95. Vom frischen Geiste fühl ich mich durchdrungen, Gestalten groß, groß die Erinnerungen. Wenn demnach Fridericus rex vielfach wieder zu
Ehren kommt — bis zum »Inspe
ohne den Grundsatz, daß Gazetten nicht geniert
werden sollen —, so wird doch auch an eine jün-
gere heroische Vergangenheit angeknüpft, die der
Gedanken und Erinnerungen keineswegs entbehrt.
So nannte sich jemand kürzlich einen »ehrlichen
Makler« — offenbar ein Hieb gegen jene andern,
die auf der Börse in Uniform herumgehn —; ferner
gibt es Ansichtskarten, die ihn neben dem Schöpfer
des vergangenen Reiches zeigen, und der Unterschied
dürfte nur sein, daß wir Deutsche zwar auch damals
nichts in der Welt gefürchtet haben, aber doch Gott.
Dagegen sind
verpönt, wie zum Beispiel die Anbringung von Wahl-
|₰
| Artfremden
| k
| Ü
Jerusalemer Konvolut, fol. [39] recto
Pagination obere linke Ecke: "39". (#undefined)
Pagination oben rechts: "39". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Weitere Textschichten
- #undefined
- Bleistift
- Tinte, schwarz (Karl Kraus)
Datierung (terminus post quem)
Grundschicht: 17. 05. 1933 (zitierter Text)