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die böse Zeit vertreibe. Wenn man sich dieses
Naturereignis einer Ekrasierung, dieses vom Teufel
bewirkte Afflavit et dissipati sunt der großen Bruder--
Partei vergegenwärtigt — da ist wohl nicht auszu-
denken, was alles und immer noch sich mit dem
Schleim der Sprache vezieren läßt. Und trostlos,
wie viel an Hoffnungen und Enttäuschungen schon
umgelogen wurde und vor der letzten Realität noch
umgelogen wird durch ein Zurechtlegen der »Ent-
wicklung«, durch eine Touristik für Wellenberg und
Wellental, durch einen Intellektualbehelf, der den
Könnern doch selbst endlich zu dumm werden müßte,
bevor sie die andern mit so etwas dumm machen.
Nie noch sind Begriffe wie »Kampf« und »Macht« so
zur Schreibtischarbeit degradiert worden, so zum
Mißbrauch von Drucklettern entartet wie bei einer
Führerklasse, die, wenn sie proletarische Geduld
damit zu höhnen fürchtet, ihr zur Abwechslung von
Isegorie, Isonomie und Isotimie erzählt, Begriffen,
die dazu erschaffen sind, den »freien Wettbewerb
der Meinungen«, den »geistigen Kampf der Über-
zeugungen« zu führen, damit alle und auch die
Hakenkreuzler um die Wette »werben« können ;
denn nichts wäre | dringender, als der Gewalt mit
»Demokratie« zu begegnen, auf das sie sich ihrer
bediene, um sie besser kaputt zu machen. Das geht
so zwischen unhaltbaren Rütlischwüren und Taktik
für Pleite▒ die ewige Doktorfrage : was fängt man
mit dem angebrochenen Abend der Partei an. Ein
Gekläre und Gedeute, das immer einsetzt, sooft die
povere Leidenschaft verpufft ist, und das eine in-
tellektuelle Schicht, die sich durch Spaltung fort-
pflanzt, zur internationalen Landplage gemacht hat.
Gott schuf sie in seinem Zorn zu Politikern der
Arbeitersache — sie aber blicken weiter ! Wegen
Unfähigkeit, das Nächstliegende zu erfassen, wird
vorausgedacht, und das jeweilige Debakel ist selbst-
verständlich nur ein Abschnitt eines ungeheuren
revolutionären Prozesses :
Naturereignis einer Ekrasierung, dieses vom Teufel
bewirkte Afflavit et dissipati sunt der großen Bruder--
Partei vergegenwärtigt — da ist wohl nicht auszu-
denken, was alles und immer noch sich mit dem
Schleim der Sprache v
wie viel an Hoffnungen und Enttäuschungen schon
umgelogen wurde und vor der letzten Realität noch
umgelogen wird durch ein Zurechtlegen der »Ent-
wicklung«, durch eine Touristik für Wellenberg und
Wellental, durch einen Intellektualbehelf, der den
Könnern doch selbst endlich zu dumm werden müßte,
bevor sie die andern mit so etwas dumm machen.
Nie noch sind Begriffe wie »Kampf« und »Macht« so
zur Schreibtischarbeit degradiert worden, so zum
Mißbrauch von Drucklettern entartet wie bei einer
Führerklasse, die, wenn sie proletarische Geduld
damit zu höhnen fürchtet, ihr zur Abwechslung von
Isegorie, Isonomie und Isotimie erzählt, Begriffen,
die dazu erschaffen sind, den »freien Wettbewerb
der Meinungen«, den »geistigen Kampf der Über-
zeugungen« zu führen, damit alle und auch die
Hakenkreuzler um die Wette »werben« können ;
denn nichts wäre | dringender, als der Gewalt mit
»Demokratie« zu begegnen, auf da
bediene, um sie besser kaputt zu machen. Das geht
so zwischen unhaltbaren Rütlischwüren und Taktik
für Pleite
mit dem angebrochenen Abend der Partei an. Ein
Gekläre und Gedeute, das immer einsetzt, sooft die
povere Leidenschaft verpufft ist, und das eine in-
tellektuelle Schicht, die sich durch Spaltung fort-
pflanzt, zur internationalen Landplage gemacht hat.
Gott schuf sie in seinem Zorn zu Politikern der
Arbeitersache — sie aber blicken weiter ! Wegen
Unfähigkeit, das Nächstliegende zu erfassen, wird
vorausgedacht, und das jeweilige Debakel ist selbst-
verständlich nur ein Abschnitt eines ungeheuren
revolutionären Prozesses :
| er
| doch
| ß
| ,
Jerusalemer Konvolut, fol. [221] recto
Pagination oben rechts: "212". (Tinte, schwarz (Karl Kraus))
Textträger
Standort, Signatur:
Grundschicht, Material: Fahnenabzug, Höhe 210 mm, Breite 142 mm
Zustand
Bibliotheksstempel der National Library of Israel, Jerusalem, recto, unten rechts.
Weitere Textschichten
- Tinte, schwarz (Karl Kraus)
Datierung (terminus post quem)
Grundschicht: 27. 05. 1933 (zitierter Text)